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Polizeieinsatz im Kulturzentrum Rathenow

Kleine Anfrage „Polizeieinsatz im Kulturzentrum Rathenow“ herunterladen (PDF, 230 KB)

(Nr. 2282 – Ursula Nonnemacher) Am Mittwoch, den 26. Oktober 2016 veranstaltete eine Künstlergruppe, die sich nach den zahlreichen im Mittelmeer ertrunkenen Flüchtlingen „Freunde der toten Kinder“ nennt, eine Ausstellung im Foyer des Kulturzentrums Rathenow. Um 17.39 Uhr erstatte ein Akteur des flüchtlingsfeindlichen, der Pegida nahestehenden sog. „Bürgerbündnisses Havelland“ bei der Polizei Strafanzeige wegen Beleidigung und Verletzung seiner Persönlichkeitsrechte. Um 18.06 traf die Polizei vor Ort ein. Zu diesem Zeitpunkt war die Ausstellung bereits beendet und die Räumlichkeiten waren verschlossen. Nach Auskunft von Innenminister Schröter in der 36. Plenarsitzung des Landtages wurde der Polizei durch das Personal des im Kulturzentrum befindlichen Cafés Zugang zu den Räumlichkeiten der Ausstellung verschafft. Im Bereich der Ausstellung waren Broschüren ausgelegt, die die Aktionen der „Freunde der toten Kinder“ dokumentieren und auf denen ein Porträt des Anzeigenerstatters abgebildet war. Die Polizeibeamten nahmen laut Auskunft des Ministers ein Exemplar mit. Presseberichten zufolge hielt sich zudem der Anzeigenerstatter im Foyer auf. Es fehlten am Ende alle 25 bis 30 Broschüren. Die Leiterin des Kulturzentrums erfuhr von den Ereignissen erst am darauffolgenden Tag.
Bereits im Frühjahr dieses Jahres war es in Rathenow zu einer umstrittenen Beschlagnahme eines Transparents der Künstlergruppe aufgrund einer Anzeige dieses Akteurs gekommen.

Ich frage die Landesregierung:
1. Auf welcher Rechtsgrundlage erfolgte das Betreten des Kulturzentrums durch die Polizei und die Mitnahme der Broschüre?
2. Wer hat die Polizei zum Betreten der verschlossenen Räumlichkeiten des Kulturzentrums ermächtigt und war diese Person aus Sicht der Landesregierung hierzu befugt?
3. Hätte die Polizei nach Auffassung der Landesregierung prüfen müssen, ob es sich bei Gaststätte und Kulturzentrum um eigenständige wirtschaftliche Einheiten handelt? Wenn ja, warum ist dies nicht erfolgt, wenn nein, warum nicht?
4. War der Polizeieinsatz nach Auffassung der Landesregierung rechtmäßig? Wenn ja, warum? Wenn nein, warum nicht?
5. Hätten die Maßnahmen eines richterlichen Durchsuchungsbeschlusses bedurft? Wenn nein, warum nicht?
6. Wie bewertet die Landesregierung den Polizeieinsatz vor dem Hintergrund der Kunst- und Meinungsfreiheit?
7. War beim Betreten der Räumlichkeiten des Kulturzentrums und bei der Mitnahme der Broschüre durch die Polizeibeamten der Anzeigenerstatter anwesend? Wenn ja, war dies rechtmäßig?
8. Liegen dem Ministerium Kenntnisse über den Verbleib der übrigen Broschüren vor? Wenn ja, welche?
9. Wurde aufgrund des Fehlens der Broschüren ein Ermittlungsverfahren eingeleitet und wenn ja, mit welchem Ergebnis?
10. Wie ist der Stand des Ermittlungsverfahrens aufgrund der Anzeige des flüchtlingsfeindlichen Akteurs des „Bürgerbündnisses Havelland“? Sind die Ermittlungen abgeschlossen und wenn ja, mit welchem Ergebnis?
11. Gab es nach der Beschlagnahme des Transparents im Frühjahr und nach den aktuellen Ereignissen jeweils eine Auswertung des Einsatzes? Mit welchem Ergebnis?
12. Welche Maßnahmen zur Sensibilisierung der Beamten für die Belange der Kunst- und Meinungsfreiheit wurden ergriffen? Sind angesichts der aktuellen Ereignisse weitere Maßnahmen geplant?