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Entlastung der Ermittlungsbehörden bei der Verfolgung von Straftaten der un-erlaubten Einreise und des unerlaubten Aufenthalts

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(Nr. 1669 – Benjamin Raschke und Ursula Nonnemacher) In Brandenburg werden gegen Flüchtlinge, die ohne Pass oder erforderlichen Auf-enthaltstitel einreisen wegen des Verdachts einer Straftat gemäß § 95 Aufenthaltsgesetz Ermittlungsverfahren eingeleitet. Nach der aktuellen Polizeilichen Kriminalitätsstatistik für das Jahr 2015 im Land Brandenburg ist ein Anstieg der Fallzahlen „unerlaubter Aufenthalt“ von 97 auf 476 Fälle zu verzeichnen, dies begründet vor allem auch den Anstieg nichtdeutscher Tatverdächtiger von 19,1 Prozent (vgl. Pressemitteilung des MIK vom 21.3.2016). In den Staatsanwaltschaften Frankfurt Oder und Cottbus wurden aufgrund der Bewältigung von Ermittlungsverfahren wegen des Verdachts von Straftaten gemäß § 95 Aufenthaltsgesetz drei ProberichterInnen eingestellt (vgl. Pressemitteilung des MdJEV vom 22.3.2016). Menschen, die aus Kriegsgebieten nach Deutschland flüchten, ist es in der Regel nicht möglich, die Einreisebedingungen des Ziellandes korrekt zu erfüllen. Dem trägt Artikel 31 Absatz 1 Genfer Flüchtlingskonvention (GFK) Rechnung, indem er es den Vertragsstaaten verbietet, die unrechtmäßige Einreise von Flüchtlingen zu bestrafen. Aufgrund dieser Vorgabe werden die entsprechenden Straftaten daher – auch in Brandenburg (vgl. Auskunft von Staatssekretär Pienkny im Rechtsausschuss am 3.12.2015) – in der Regel gemäß § 153 oder 170 Absatz 2 Strafprozessordnung i.V.m. Art. 31 GFK eingestellt. Im Ergebnis stellen die Verfahren daher in der überwiegenden Anzahl der Fälle eine unnötige Belastung der Ermittlungsbehörden dar. Die Gewerkschaft der Polizei hat sich deshalb für eine Abschaffung der Straftatbestände der unerlaubte Einreise und des unerlaubten Aufenthalts in Deutschland ausgesprochen.

Wir fragen die Landesregierung:
1. Wie viele Ermittlungsverfahren wurden in den vergangenen fünf Jahren wegen unerlaubter Einreise und unerlaubten Aufenthalts in Brandenburg eingeleitet? (bitte insgesamt angeben sowie nach Jahren und Staatsanwaltschaften des Landes Brandenburg aufschlüsseln)
2. Ausgang der Ermittlungsverfahren:
a) In wie vielen der unter 1. genannten Fälle wurde das Verfahren eingestellt? (bitte nach jeweiliger Rechtsgrundlage aufschlüsseln)
b) In wie vielen dieser Fälle kam es zu einer Verurteilung? In wie vielen dieser Fälle kam es zu einer Verurteilung auf Grundlage eines Strafbefehls?
c) Welchen Personen wurde der Strafbefehl grundsätzlich und welchen in der Regel zugestellt? (dem Flüchtling, seinem Anwalt, einem/er bevollmächtigten Grenzbeamten/in oder einem/er bevollmächtigten Mitarbeiter/in der Ausländerbehörde)
d) Wie viele der unter 1. genannten Ermittlungsverfahren sind noch offen?
(Die Antworten zu den Fragen 2 a), b) und c) bitte jeweils insgesamt sowie nach Jahren und Staatsanwaltschaften des Landes Brandenburg aufschlüsseln)
3. Inwiefern hält es die Landesregierung für sinnvoll und gerechtfertigt, dass Polizei und Staatsanwaltschaften durch die Verfolgung von Straftaten gemäß § 95 Aufenthaltsgesetz erheblich belastet werden, vor dem Hintergrund, dass die große Mehrheit der Verfahren wieder eingestellt wird?
4. Wie bewertet die Landesregierung den Vorschlag, Strafverfahren wegen unerlaubter Einreise oder unerlaubten Aufenthalts wegen des Anwendungsvorrangs des Europarechts, dessen Bestandteil auch das Pönalisierungsverbot der Genfer Flüchtlingskonvention ist, erst einzuleiten, wenn feststeht, dass es sich bei der Person nicht um einen Flüchtling im Sinne der Genfer Flüchtlingskonvention handelt?
5. Welche Maßnahmen ergreift die Landesregierung, damit die Strafverfolgungsbehörden in Brandenburg durch die genannten Verfahren nicht unnötig belastet werden und ihr Aufwand minimiert wird?
6. Hat sich die Landesregierung auf der 86. JustizministerInnenkonferenz für eine Abschaffung der Straftatbestände der unerlaubten Einreise und des unerlaubten Aufenthalts ausgesprochen? Wenn nein, warum nicht? Welche Auffassung vertritt die Landesregierung diesbezüglich aktuell? Liegen bereits Ergebnisse der länderübergreifenden Arbeitsgruppe vor, die sich mit der Evaluation der Straftatbestände befasst? Wenn ja, welche? Wird die Landesregierung das Thema auf der 87. JustizministerInnenkonferenz in Nauen auf die Tagesordnung setzen?