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Ausstellungseröffnung „Friedliche Revolution und Mauerfall“

Am 5. November 2014 luden wir zur Ausstellungseröffnung „Friedliche Revolution und Mauerfall“ in unsere Fraktion ein. Die Fotos vom Untergang der DDR stammen aus der Kamera von Andreas Schoelzel. Sie wurden damals in allen großen Zeitungen weltweit, auch im Time-Magazine, gedruckt. In diesen Bildern ist noch heute die Energie des Aufbruchs spürbar, sie zeigen Angst und Euphorie, Ratlosigkeit und Kreativität, Aufbruch und Abgrund. Unsere Landtagsabgeordnete Heide Schinowsky und die frühere Bundestagsabgeordnete Cornelia Behm erinnerten an die Zeit in der DDR und die Veränderungen der 80er Jahre, sowie ihr persönliches Erlebnis des 9. November 1989.

Die Ausstellung kann bis Ende Dezember auf dem Fraktionsflur im Landtag Brandenburg besichtigt werden.

„Es war das Intensivste, was man sich vorstellen kann“, so Andreas Schoelzel über die Monate des Jahres 1989/90, die er mit seiner Kamera eingefangen hat. „Es war der Höhepunkt in meinem Leben.“ Andreas Schoelzel stammt aus Niedersachsen und lebt in Berlin-Kreuzberg.

Mit dieser Ausstellung erinnert die bündnisgrüne Fraktion im Jubiläumsjahr der Friedlichen Revolution an wichtige Etappen dieses großen Prozesses, darunter: die Besetzung der Ost-Berliner Umweltbibliothek 1987 durch die Stasi, die Montagsdemonstrationen in Leipzig, die Ausreise der Prager Botschaftsflüchtlinge, die großen Demonstrationen auf dem Ost-Berliner Alexanderplatz, den Mauerfall, die Einrichtung des Zentralen Runden Tisches, die Auflösung der Stasi-Zentrale in der Normannenstraße im Februar 1990 und die erste freie Kommunalwahl im Mai 1990. Die großformatigen Einzelbilder dokumentieren eindrücklich, wie die Bürgerinnen und Bürger der DDR sich Freiheit und Demokratie erkämpften, was zum Fall der Mauer und schließlich zur Wiedervereinigung führte. Die Zusammenstellung von 15 Einzelbildern zu einem Tableau zeigt prominente Bürgerrechtlerinnen und Bürgerrechtler aber auch die unzähligen einzelnen Menschen, die in den Kirchen und auf den Straßen zusammenkamen und die Friedliche Revolution herbeiführten. Die Sprüche und Parolen geben ihre Forderungen, ihre Hoffnungen und Ängste wieder.

Cornelia Behms Rede

„Ein Bild sagt mehr als Tausend Worte. Dieses Sprichwort, das dem Begründer der ursprünglich deutschen Nachrichtenagentur Reuters, Paul Julius Freiherr von Reuter zugeschrieben wird, ist zu einer Metapher für die Bedeutung von Bildern als Informationsmedium geworden. Ein Bild sagt mehr als Tausend Worte. Deshalb stellen wir Bilder aus und lassen ihre Botschaften auf die Betrachter wirken.

Bilder wirken ganz unterschiedlich, je nachdem, welchen Hintergrund der Betrachter hat. Ist er ein Dabeigewesener, wecken sie Erinnerungen, wecken sie die eigenen Bilder im Kopf. Finden Zeitgenossen in der Ferne bringen die Bilder die Ereignisse ganz nah an ihn heran, beteiligt ihn fast am Geschehen. Und für die Nachgeborenen machen Bilder Geschichte lebendig.

Und so wirken auch die Bilder Andreas Schoelzels von der Friedlichen Revolution und dem Mauerfall vor 25 Jahren auf jeden Betrachter verschieden. Ich bin dankbar für diese Bilder, denn sie bezeugen ein Ereignis, dass für mein Leben und für das Leben vieler Menschen in Deutschland von ungeheuer großer Bedeutung war. Nicht umsonst wird dieser 25. Jahrestag der Friedlichen Revolution und des Mauerfalls mit vielen Veranstaltungen gewürdigt. Und
das beileibe nicht nur von offiziellen Stellen, sondern Bürgerinnen und Bürger aus allen Teilen Deutschlands organisieren Gedenkveranstaltungen. Fast jeder Deutsche weiß, was er am 9. November 1989 gemacht hat. Viele aber wissen nicht mehr, was am 13. August 1961 geschah. Auch welche Folgen die Teilung Deutschlands JahirT949 für viele Familien hatte, ist für den Großteil der Bevölkerung kaum noch vorstellbar.

Dabei hat die deutsche Teilung viele Opfer gefordert, nicht nur die Toten an der innerdeutschen Grenze. Familien und Freundschaften wurden auseinander gerissen, Kontakte entweder ganz unterbunden oder doch erschwert. Mit dem Bau der Mauer 1961 nahm das SED-Regime ein ganzes Volk von 16 Millionen Menschen in Geiselhaft. Wir waren eingesperrt. Nicht gerade in einem goldenen Käfig, aber doch in einem, in dem jeder ein Dach über dem Kopf, einen Ausbildungs- und Arbeitsplatz und satt zu essen hatte. Auch Kultur war für jedermann erschwinglich – ein Leben, in dem man sich einrichten konnte.

Was mir, wie vielen anderen Menschen in der DDR fehlte, waren vor allem drei Dinge: Wir konnten nicht treffen, wen wir treffen wollten, wenn derjenige im Westen lebte. Wir konnten nicht lesen, was nicht in der DDR veröffentlicht wurde. Und wir konnten nicht reisen, wohin uns die Sehnsucht zog.

Also richtete man sich ein und suchte und fand seine Nische. Mit Freunden wurden die wildesten Ideen entwickelt, wie man die DDR verlassen könnte. Einige setzten diese Ideen dann unter Einsatz ihres Lebens in die Tat um. Aber je mehr gingen, umso wichtiger wurde das Hierbleiben. Es gab Treffen mit j ungen Umweltaktivisten aus der Lausitz, aus Bittefeld und aus Stralsund. Wir sahen heimlich gedrehte Filme über die Umweltsünden der DDR an. In der Kirche gab es Schriftstellerlesungen. Als Stephan Heym aus seinem im Westen veröffentlichten König David Bericht las, konnte man in unserer Auferstehungskirche nicht mehr treten. Die Männer mit den Lederjacken, die, wie wir später erfuhren, fein säuberlich die Autokennzeichen notiert hatten und sich dann unter das Publikum mischten, schreckten uns nicht.

1987 dann die erste Reise zum 60. Geburtstag der Tante in den Westen. Zur Beerdigung der Großeltern ein paar Jahre zuvor hatten wir nicht fahren dürfen. Veränderimg lag in der Luft. Mit der instinktiv gefühlten Schwäche des Regimes wuchs das eigene Vertrauen in die Zukunft. Es bildeten sich Initiativen, die nach eigenen Ideen gestalten und nicht mehr nach der Pfeife der SED tanzen wollten.

Und während im August 1989 Hunderte DDR-Bürger beim so genannten paneuropäischen Picknick über die ungarisch-österreichische Grenze in den Westen fliehen und sich im September 1989 DDR-Flüchtlinge in der Prager Botschaft der Bundesrepublik sammeln, werden hier Bürgerbewegungen gegründet. Zu der schon 1986 gegründeten Initiative für Frieden und Menschenrechte gesellen sich nun das Neue Forum und Demokratie Jetzt. Ihr Credo: Wir bleiben hier, verändern wollen wir. Die Bewegung scheint unaufhaltsam. Aber die Angst war oft ebenso stark wie die Aufbruchstimmung: Als das Neue Forum am 4. Oktober seine Ziele in der Friedrichskirche auf dem Weberplatz in Potsdam vorstellt, wollte ich auch dabei sein. Ich stellte mein Auto vor dem Haus eines Kollegen ab und lief die drei Treppen zu seiner Wohnung hoch: 'Wenn morgen mein Auto noch hier steht, kümmert Euch bitte um meine Kinder.' Damit zu rechnen, dass man verhaftet wurde, war ganz und gar nicht abwegig. Als ich zum Weberplatz kam, war kein Hineinkommen mehr in die Kirche und draußen wimmelte es von Menschen. In der Annahme, hier doch nichts mitzubekommen, fuhr ich wieder nach Hause. Und habe so einen historischen Moment verpasst.

Dann der 7. Oktober 1989, der 40. Jahrestag der DDR: Wir hatten uns bei Freunden versammelt und waren dann gemeinsam nach Potsdam gefahren. Jeder mit einer Blume in der Hand und mit dem Ruf 'Keine Gewalt' reihten wir uns in den Demonstrationszug durch die Klement-Gottwald-Straße ein. Nie werde ich die Gefühle vergessen, mit denen ich in dieses Jahr 0 nach der DDR hinein schritt. Mut und Freude konnten die Angst vor den martialisch anzusehenden, mit Schlagstöcken und Schilden ausgerüsteten Polizisten nicht unterdrücken. Als dann der Demonstrationszug mit LKW, an denen Schiebeschilde befestigt waren, von der Straße gedrängt wurde, war es Zeit zu gehen. Mitgenommen hatte ich das Gefühl, dass wir, die wir so viele waren, diesen Staat überwinden könnten.

Die Grenzöffnung gut einen Monat später war wohl eine logische Konsequenz der vorangegangenen Ereignisse, auch wenn sie uns doch überraschend traf. Mein Sohn war noch in der Nacht des 9. November, an seinem 19. Geburtstag mit einem Freund nach Berlin gefahren. Ich hatte die Frage, ob er mein Auto und etwas Westgeld aus der Kassette nehmen könne, weil jetzt die Grenze offen wäre und er mal schauen wollte, zwar bejaht, aber im
Halbschlaf den Sinn nicht erfasst. Als ich am nächsten Morgen das Radio einschaltete, sagte der Nachrichtensprecher gerade: 'Der Verkehr auf dem Ku-Damm ist zusammengebrochen.' Da erst begriff ich, was geschehen war. Ein neues Leben hatte begonnen.

Das 89er Jahr ist für viele, die dabei gewesen sind, das bewegendste in ihrem Leben. Die Überwindung der Angst und das Vertrauen auf die Kraft die aus der Gemeinschaft erwächst, waren wichtige Erkenntnisse, die auch für die Gestaltung der Zukunft in Freiheit von Bedeutung waren. Und die Bilder von der Friedlichen Revolution erwecken in mir die Erinnerung an die Gefühle in dieser Umbruchszeit. Erst bahnte es sich an, dann brach es sich Bahn. Die Demokratiebewegung in der DDR war nicht mehr aufzuhalten.“

Auch wenn nicht alles so geworden ist, wie wir es damals erträumt haben, bin ich nicht enttäuscht. Ich hoffe und wünsche, dass die jungen Betrachter dieser Bilder ein bisschen von dem nachempfinden können, was wir seinerzeit erlebt haben. Und dass ihnen klar wird, dass es nicht nur für die Gesellschaft, sondern für jeden Einzelnen gut ist, das Schicksal selbst in die Hand zu nehmen, anstatt sich einfach nur regieren zu lassen.“

Die Ausstellung kann bis Ende Dezember auf dem Fraktionsflur im Landtag Brandenburg besichtigt werden.