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Bündnisgrüne diskutieren auf Symposium über solidarische Ökonomie

(Nr. 142) Das Unbehagen vieler Menschen mit der Vorherrschaft eines wirtschaftlichen Wettbewerbs, in dem Menschlichkeit kaum eine Rolle spielt, Ressourcen ungebremst verschwendet werden und der Staat sich zunehmend seiner gesellschaftlichen Verantwortung entzieht, wächst seit Jahren. Zugleich versuchen immer mehr Menschen, ihre Arbeits- und Lebenswelt selbstbestimmt zu organisieren und sich der vermeintlichen Logik der klassischen Marktwirtschaft zu entziehen. Es entstanden und entstehen Projekte und Unternehmen, die heute unter verschiedenen Begriffen wie „Ökonomie des Teilens“, soziales Unternehmertum oder solidarische Ökonomie laufen und für die das in Deutschland inzwischen weit verbreitete „Carsharing“ wohl das prominenteste Beispiel sein dürfte.

Auch in Brandenburg hat sich in den vergangenen Jahren einiges im Wirtschaftssektor der solidarischen Ökonomie entwickelt. Auf das Gemeinwohl und auf Nachhaltigkeit ausgerichtete Unternehmen, Genossenschaften, Stiftungen und Vereine – seien es der nachbarschaftliche Fahrradreparaturladen, die Tafeln, die überschüssige, aber qualitativ einwandfreie Lebensmittel verteilen, oder Bürgerbusse, die mit Freiwilligen in ländlichen Regionen den Nahverkehr absichern. Wie solche Initiativen besser unterstützt und das Potential sozialer Innovationen besser genutzt werden kann, war am Freitag Thema einer Veranstaltung der bündnisgrünen Landtagsfraktion in den Räumen der Hochschule für Nachhaltige Entwicklung in Eberswalde.

„45 Jahre nach dem Bericht des Club of Rome zu den `Grenzen des Wachstums´ gewinnt man den Eindruck, das dessen Botschaft noch immer nicht angekommen ist“, sagte der Vorsitzende der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, AXEL VOGEL zur Einführung in die Veranstaltung. Wie schon damals erkannt, sei es auch heute noch vordringlich, Wachstum von Lebensqualität zu entkoppeln und die Lebensqualität der Menschen zu verbessern, ohne den Verbrauch materieller Ressourcen immer weiter zu erhöhen. „Dabei ist die solidarische Ökonomie keine neue Erfindung“, sagte er und erinnerte an die Entstehung von Genossenschaften wie Volks- und Raiffeisenbanken und Wohnungsbaugenossenschaften oder landwirtschaftlicher Maschinenringe.

Der Wandel zu einer anderen Gesellschaft finde in bestimmten Bereichen bereits statt und habe auch in Brandenburg schon viele vorbildliche Projekte hervorgebracht, gerade auch im ländlichen Raum, wo idealistische „Raumpioniere“ Freiräume nutzten, im Bereich von Flüchtlingsinitiativen, der ökologischen Landwirtschaft oder Bürgerenergiegenossenschaften. „Hier finden sich zahlreiche UnternehmerInnen, die nicht ausschließlich auf Wachstum und Rendite setzen, sondern auf ökologische und soziale Nachhaltigkeit – für die Kunden, die Mitarbeiter des Betriebs, für die Umwelt und die Menschen, die in der Region leben.“

AXEL VOGEL sagte, man dürfe aber auch umstrittene Entwicklungen in der „Sharing Economy“ nicht verschweigen. „Anbieter wie Uber und Airbnb sind nicht unbedingt Beispiele für sozial positiv wirkende Innovationen.“

Der Hauptredner war Norbert Kunz, der zu den profiliertesten Sozialunternehmern in Deutschland zählt, seit über zwanzig Jahren Existenzgründer im Bereich der Sozialökonomie berät und unter anderem Mitglied der Expertenkommission der Europäischen Union zur Social Business Initiative (GECES) ist. Kunz prognostizierte durch die fortschreitende Globalisierung und die immer stärkere Verbreitung von Wissen durch das Internet, aber auch durch damit einhergehende Entwicklungen wie den demographischen Wandel und die zunehmende Individualisierung, eine gesellschaftliche Umwälzung, die der des Übergangs von der Agrar- zur Industriegesellschaft entspräche.

Innovationen, die allein darauf ausgerichtet sind, die Position eines einzelnen Unternehmens am Markt zu verbessern, seien hier langfristig nicht mehr überlebensfähig. „Gefragt sind die Entwicklung neuer Produkte, Dienstleistungen und Verfahren, die explizit dem sozialen Fortschritt dienen und von der Gesellschaft akzeptiert werden.“

Weitere Referenten waren Prof. Dr. Dr. Martina Schäfer von der TU Berlin, Mitglied der Enquetekommission ländliche Räume, und Dr. Tobias Federwisch vom Leibniz-Institut für Raumbezogene Sozialforschung (IRS) Erkner, die sich explizit mit den Voraussetzungen der Entwicklung sozialer Innovationen in den ländlichen Regionen Brandenburgs auseinandersetzten.

Zum Herunterladen

>> Präsentation von Dr. Tobias Federwisch, IRS Erkner „Innovation in Landgemeinden“ (pdf-Datei)

>> Präsentation von Prof. Dr. Dr. Martina Schäfer „Ansätze Solidarischer Ökonomie in der Land- und Ernährungswirtschaft“