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Ursula Nonnemacher spricht zum Haushaltseinzelplan 07 für das Ministerium für Arbeit, Soziales, Frauen und Familie

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Der Haushaltsplan des Ministeriums für Arbeit, Soziales, Frauen und Familie wächst in 2011 trotz Abbau von 31 Planstellen um 19 Millionen auf 659 Millionen Euro auf. Die Steigerungen sind mit etwa 10 Millionen durch Sozialhilfeausgaben im Bereich der Eingliederungshilfe nach SGB XII und mit 5,2 Millionen durch Verstärkung der Ausgleichsabgabe für Behinderte begründet. Mehrausgaben von 4,1 Millionen entfallen auf das Programm Arbeit für Brandenburg. Die Ansätze für die soziale Infrastruktur bleiben außer bei der Schwangerschaftskonflikt- und Familienberatung, die deutlich mehr Mittel erhalten, etwa gleich. An der Steigerung der sächlichen Verwaltungskosten sind wieder die üblichen Verdächtigen ZitBB und BLB beteiligt, aber auch 150.000 Euro für die Evaluierung von „Arbeit für Brandenburg". Da sind wir klar der Meinung: ein Programm, das extrem holprig gerade mal angelaufen ist und dessen Zukunft in den Sternen steht, braucht nicht für 150.000 Euro in 2011 evaluiert werden!

Ein zentrales Thema der Sozialpolitik in den nächsten Jahren dürfte die Pflege sein, sowohl was die Anzahl und Versorgung der Pflegebedürftigen, als auch die Bereitstellung von Pflegekräften angehen wird. In den nächsten 10 Jahren wird sich Deutschland weit ein Bedarf von bis zu 400.000 Vollzeitstellen für Pflegekräfte auftun. Am stärksten steigt nach statistischen Hochrechnungen die Zahl der Pflegebedürftigen im Land Brandenburg, gefolgt von Mecklenburg-Vorpommern und Berlin. Der Zuwachs an Pflegebedürftigkeit gegenüber dem Jahr 2007 wird bis 2020 45,5% betragen, bis 2030 gar 71,6%. In absoluten Zahlen ausgedrückt werden wir bis 2030 etwa 131.000 pflegebedürftige Menschen zu versorgen haben, momentan sind es 90.000.

Die Frage ist, woher sollen die Pflegefachkräfte und auch die Pflegehilfskräfte – insbesondere in der Altenpflege – kommen? Der Landesrechnungshof hat sich 2009 in seinem Bericht zum Einzelplan 07 mit der Förderung der Altenpflegeausbildung auseinandergesetzt und ist dabei zu wenig erfreulichen Erkenntnissen gekommen.
Die Finanzierung der theoretischen Ausbildung von Altenpflegern durch Projektförderung, die sich zu 70% aus ESF-Mitteln und zu 30% aus Landesmitteln zusammensetzen, sei hoch problematisch. Einerseits trage eine theoretische Ausbildung nicht Projektcharakter, sondern sei eine auf Dauer angelegte Maßnahme, zu deren Erfüllung das Land nach dem Altenpflegegesetz verpflichtet sei. Zuwendungen seinen zudem freiwillige Leistungen, die dem Haushaltsvorbehalt unterworfen seien. Noch schwerwiegender ist allerdings der Vorwurf zu werten, dass das Ziel des Landes Brandenburg in der Altenpflegeausbildung, nämlich das Angebot an Ausbildungsplätzen im Bereich der zukunftsträchtigen Gesundheitsfachberufe qualitativ und quantitativ zu verbessern, nicht erreicht worden sei.
Wörtlich stellt der LRH-Bericht fest: „ Mit der Förderung konnte die gewünschte Erweiterung des Ausbildungsplatzangebotes nicht erreicht werden." Konkret wird moniert, dass die jährlich Ausbildungsfrequenz von 222 Auszubildenden 2005/2006 auf 126 im Ausbildungsjahr 2007/2008 zurückgegangen sei. Es sei keine quantitative Erweiterung des Ausbildungsplatzangebotes und keine Entspannung auf dem Ausbildungsmarkt erreicht worden. Darüber hinaus mahnt der LRH noch die hohe Abbruchquote in der Altenpflegeerstausbildung und die fehlende Refinanzierung der Ausbildungsvergütung im ambulanten Bereich an.

Aufgrund der Kritik des Landesrechnungshofes an der bisherigen Finanzierung aus ESF Mitteln wird die Finanzierung jetzt sukzessive auf Landesmittel umgestellt.

Es wird zunächst das 1. Ausbildungsjahr mit Landesmitteln finanziert und dazu sind im Haushalt 2011 erstmals 297.000 Euro eingestellt. Dass die Koalitionsfraktionen zu dieser Haushaltsstelle einen Änderungsantrag einbringen, die Schulkosten sollen für die dreijährige Altenpflegeausbildung und auch für die einjährige Ausbildung in Höhe von 330 Euro pro Schüler und Monat gefördert werden, dabei aber den Haushaltsansatz von 297.000 Euro unverändert lassen, ist problematisch. Von 297.000 Euro lassen sich im Jahr genau 75 Ausbildungsplätzen aus finanzieren. Aber das neue Schuljahr beginnt ja erst im Oktober! Was hinter den Haushaltszahlen untergeht ist doch folgendes: Sie rechnen ab 2011 mit 300 Ausbildungsplätzen in der Regelausbildung, d.h. mit 100 Plätzen pro Jahrgang bei einer dreijährigen Ausbildung. Trotz des großen Bedarfs sinkt die Anzahl der Ausbildungsplätze weiter! Auch die Planungsgröße für die Zahl der Umschulungen nimmt ab, seit das 3. Ausbildungsjahr nicht mehr von der BA sondern vom Land finanziert werden muss.

Aber der Minister und die Koalitionsfraktionen sind sich sicher: in Brandenburg gibt es keinen Mangel an Ausbildungsplätzen in der Altenpflege! Da mag der Landesrechnungshof oder die Experten bei der Anhörung zur Fachkräftesituation in der Altenpflege anderer Meinung sein, na und?
Zur Zeit werden in Brandenburg etwa 325 Altenpflegeschüler erstausgebildet, nicht pro Jahr, sondern pro Ausbildungszyklus wohlgemerkt. Zusätzlich wurden in letzter Zeit etwa 300 Umschüler zur Altenpflegefachkraft ausgebildet, da über das Konjunkturpaket II das 3. Ausbildungsjahr finanziert wurde. Es ist notwendig, die Zahl der Erstausbildungen und Umschüler nicht nur zu halten, sondern möglichst zu erhöhen. Von der Landesregierung erwarten die Verbände von der Liga der Spitzenverbände bis zur Gewerkschaft Verdi außerdem Unterstützung bei einer Refinanzierung der Ausbildungskosten für die praktische Ausbildung. Die Einführung einer Umlagefinanzierung wird unisono gefordert, gerade um auch die Ausbildungskapazitäten in der ambulanten Altenpflegeausbildung zu erhöhen. Gerade die Gewerkschaft fordert auch für Brandenburg die Einführung eines Umlageverfahrens für die Altenpflegeausbildung, weil dieses in den beiden Ländern mit Umlageverfahren - nämlich Baden-Württemberg und Rheinland-Pfalz - spürbare Anreize zur Steigerung der Ausbildungsquote zur Folge hatte. Die SPD-Spitzenpolitikerin Elke Ferner regt dasselbe an – nur in Brandenburg wird sogar ein harmloser Prüfauftrag abgebügelt.

So unterschiedlich die Bewertung der Ausbildungskapazitäten ausfällt, so einig sind wir uns in folgendem 1. Die Vergütung muss in Brandenburg so gestaltet werden, dass Pflegefachkräfte nicht in andere Bundesländer – insbesondere Berlin – abwandern. Und 2. dass jegliche Anstrengung unternommen werden muss, die vorhandenen Ausbildungsplätze mit geeigneten Bewerbern zu füllen. Noch gibt es laut BA (Bundesagentur für Arbeit) genügend Jugendliche, die sich für soziale Berufe und auch die Altenpflege interessieren. Bei kleiner werdenden Jahrgängen von Schulabgängern können wir aber keine Rosinenpickerei betreiben. Auch schwächere Schüler müssen ggf über Einstiegsqualifizierung an den Arbeitsmarkt herangeführt werden. Es bleibt die alte Erkenntnis, dass der vorsorgende Sozialstaat bei der frühkindlichen Bildung und in der Schule beginnt. Jeder Schulabbrecher und jeder Jugendliche, der nicht in angemessenem Zeitraum in Ausbildung vermittelt wird, hat eine ungünstige Sozialprognose.

Die Altenpflege ist aber auch insofern ein exemplarisches Beispiel, da neben der Fachkräfteproblematik hier auch eine Möglichkeit besteht, länger Arbeitslose und gering qualifizierte Menschen in Arbeit zu bringen. In den ersten Arbeitsmarkt wohlgemerkt! Die einjährige Altenpflegehilfeausbildung ist da ein sehr guter Weg, da sie dem angesprochenen Personenkreis zumindest eine Teilqualifizierung und eine dauerhafte Perspektive eröffnet. Wir haben gehört, dass die Abbrecherquote bei der Umschulung erfreulich niedrig ist im Vergleich zur Erstausbildung. Die Umschulung zur Fachkraft und zur Hilfskraft muss verstärkt werden.

Statt dass die Regierung intensiv nach den Feldern Ausschau hält, wo Fachkräftebedarf mit Abbau von Langzeitarbeitslosigkeit zusammengebracht werden kann, hätschelt sie weiter den ÖBS, den schlimmsten Rohrkrepierer unter den rot-roten Prestigeprojekten. Jedem, der 1 und 1 zusammenzählen konnte war klar, dass es zum Scheitern verurteilt sein musste, symbolträchtige Landespolitik in blindem Gottvertrauen auf das Geld des Bundes zu gründen. Von den 15.000 Stellen, die die Linke dem Wähler versprochen hat, fanden 8000 Eingang in den Koalitionsvertrag. Beim mühsamen Start des Programms „Arbeit für Brandenburg" zum 1.7.2010 wurde die Zahl dann schon auf 6500 runter gerechnet, da sich die Fördertöpfe verändert hatten. Doch schon in den ersten Monaten seines Bestehens bleibt das Programm deutlich hinter den Erwartungen zurück. Von den für 2010 geplanten 1200 Stellen wurden bis Ende Oktober erst 745 beantragt. Die Zahl der zum Jahresende real Beschäftigten wird deutlich geringer ausfallen, da schon jetzt nicht alle beantragten Stellen kofinanziert werden können.

Als im Juli 2010 „Arbeit für Brandenburg" mit großem Tam-Tam gestartet wurde, war allen Beteiligten klar, dass das Landesprogramm von Förderzusagen des Bundes abhängt, um durchgeführt werden zu können. So wurde gerechnet, dass die Bundesagentur je Stelle und Monat zwischen 900 bis 1.300 Euro bezahlt, die Kommunen Geld dazugeben würden, das sie sonst an Unterkunftskosten der Hartz-IV-EmpfängerInnen zahlen müssten und das Land Brandenburg 250,-- Euro pro Person und Monat hinzu finanziert, um Stellen für erwerbslose Personen zu Mindestlohnbedingungen in Kommunen, Verbänden und bei Beschäftigungsgesellschaften zu schaffen. Für die Langzeitarbeitslosen ergibt sich ein Stundenlohn von 7,50 Euro. Die Jobs sind sozial versichert, die Arbeit ist freiwillig. Da „Arbeit für Brandenburg" keine regulären Stellen verdrängen soll, muss die Tätigkeit zusätzlich und gemeinnützig sein.

Bei aller anfänglichen Freude über einen Job im "öffentlichen Sektor" werden die scheinbar Begünstigen am Ende der Maßnahmen aller Voraussicht nach wieder auf der Straße stehen. Den Langzeitarbeitslosen in Brandenburg hilft nur echte Arbeit statt einer neuen Arbeitsbeschaffungsmaßnahme im großen Stil. Sie werden im Landesprogramm „Arbeit für Brandenburg" geparkt. Mit dem „öffentlichen Beschäftigungssektors" droht die Landesregierung ihre guten Absichten ins Gegenteil zu verkehren. Denn weder wird den Betrieben geholfen, denen Fachkräfte fehlen. Noch wird den ca. 17.500 arbeitslosen Menschen geholfen, die älter als 50 Jahre sind. Langzeit arbeitslos, ohne die gesuchte Qualifikation und wenig mobil, gibt es kaum passende Jobs für sie. Das Geld für den öffentlichen Beschäftigungssektor sollte stattdessen in die gezielte und individuelle Qualifikation gerade von älteren Arbeitslosen investiert werden.

„Arbeit für Brandenburg" – dem Vorzeigeprojekt der Landesregierung – bricht jetzt die finanzielle Grundlage weg, nachdem die Bundesregierung die Bundesmittel zur Eingliederungshilfe für Langzeitarbeitslose nach § 16e drastisch gekürzt hat. Für Brandenburg ergeben sich daraus Mindereinnahmen für Jobprogramme von 98 Millionen Euro in 2011. Ob ein Andocken an das bei der Linken ungeliebte Bundesprogramm „Bürgerarbeit" in großem Stil möglich ist, muss sich noch erweisen. Beide Programme sind in Zielgruppe und Intention nur bedingt miteinander kompatibel. Die 6500 versprochenen Stellen können so keinesfalls kompensiert werden. Und ob in 2012 und 2013 überhaupt noch Projekte starten können, steht in den Sternen.

Gut gemeint ist eben nicht gut gemacht! Verantwortungsvolle und effiziente Arbeitsmarktpolitik sieht anders aus.

Für den Haushaltstitel des Landesprogramms „Arbeit für Brandenburg" haben BÜNDNIS 90 / DIE GRÜNEN einen Änderungsantrag eingebracht, der eine Halbierung des Ansatzes auf 2.7 Mio. Euro vorsieht! Damit werden die Menschen, die in Vertrauen auf die Regierung eine Stelle angenommen haben, nicht im Regen stehen gelassen, der absolut unrealistischen Stellenplanung aber Rechnung getragen.

Frauenhäuser – Hilfsangebote für gewaltbetroffene Frauen und ihre Kinder aufstocken!

Meine Fraktion Bündnis 90 / DIE GRÜNEN bringt in die Haushaltsberatungen des Einzelplans 07 den Änderungsantrag auf Erhöhung der Zuweisungen an Landkreise und Kreisfreie Städte für die Frauenhäuser noch einmal zur Abstimmung ein. Wir wollen die Hilfsangebote für gewaltbetroffene Frauen und ihre Kinder von 900.000 Euro um weitere 300.000 Euro auf 1.2 Mio. erhöhen, um sozialpädagogische und -therapeutische Hilfsangebote sicherzustellen.

„Frauenhäuser sind auch Kinderhäuser" - die Kinder leben nicht nur gemeinsam mit ihrem Müttern über längere Zeit im Frauenhaus, sie sind auch Zeugen, wenn nicht sogar Opfer aufgrund der Gewalterfahrungen ihrer Mütter oder ihrer Geschwister oder sie haben selbst Gewalterfahrungen! Um die Gewaltspirale für die Kinder zu durchbrechen - denn aus empirischen Untersuchungen ist bekannt, dass aus Mädchen, die Gewalt erlitten haben, oft wieder Opfer, aus den betroffenen Jungen überzufällig häufig Täter werden – muss frühzeitig pädagogisch und therapeutisch eingegriffen werden. Misshandlungen gegen die Mütter sind der häufigste Kontext von Misshandlungen gegen Kinder und häusliche Gewalt stellt eine Kindeswohlgefährdung dar.

Die letzte Woche am 8.12. im Sozialausschuss durchgeführte Anhörung „Bekämpfung von Gewalt gegen Frauen und ihre Kinder" hat diese Zusammenhänge und die Notwendigkeit ihrer Bearbeitung bestätigt.

Praxis erfahrene Frauenhausmitarbeiterinnen, Wissenschaftlerinnen, sowie Mitarbeiterinnen von Stadt- und Landkreisen und die Polizei trugen ihre Sicht auf die Arbeit der Frauenhäuser vor, gaben Empfehlungen und tauschten sich mit dem Justizminister Dr. Schöneburg, Sozialminister Baaske und dem Leiter des Landekriminalamt über die Bekämpfung von Gewalt gegen Frauen und ihre Kinder in Brandenburg aus.

Die dringende Notwendigkeit, die Mittel für die Frauenhäuser zu erhöhen, ergeben sich auch durch folgende Argumente:

  • Kostensteigerungen werden seit Jahren nicht berücksichtigt
  • die Zuweisungsmittel für die Frauenhäuser sind seit 2004 nicht erhöht worden,
  • die Mitarbeiterinnen werden nicht nach TVÖD, sondern nach Ost-Festtarifen bezahlt werden,
  • der ambulante Beratungsbedarf für gewaltbetroffene Frauen in Brandenburg steigt,
  • die Mitarbeiterinnen der Frauenhäuser leisten einen 24 Stunden-Rufbereitschaftsdienst fast ausschließlich auf ehrenamtlicher Basis,
  • einzelne Einrichtungen haben jährliche Defizite von über 10.000Euro, für die der Träger einstehen muss.

Auch die Versorgung von gewaltbetroffenen Frauen ohne Anspruch auf Grundsicherung muss gewährleistet sein.

Zur Unterstützung der Arbeit der Frauenhäuser bringen Bündnis 90 / DIE GRÜNEN deshalb den Änderungsantrag auf Erhöhung der Zuweisungen an Landkreise und Kreisfreie Städte für die Frauenhäuser wieder ein, da die Ablehnung des Antrags im Ausschuss Soziales, Arbeit, Frauen und Familie vor der öffentlichen Anhörung erfolgte.

Wir wollen damit den Koalitionsfraktionen die Gelegenheit ermöglichen, über ihr Abstimmungsverhalten noch mal nachzudenken und für eine Aufstockung zu votieren. Es ist genau der richtige Zeitpunkt dafür!