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Ursula Nonnemacher spricht zum bündnisgrünen Antrag zur Einführung einer EU-weit geltenden Frauenquote

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- Es gilt das gesprochene Wort !

Anrede!

Die gläserne Decke ist eine weitverbreitete Metapher dafür, dass qualifizierte Frauen kaum in die Top-Positionen von Unternehmen gelangen. Die Hindernisse sind vielfältig und schwer erkennbar. Sie hängen damit zusammen, dass männliche Vorgesetzte eben nicht unbedingt die vielbeschworene Qualität, sondern männliche Mitarbeiter fördern und es Frauen an beruflichen Netzwerken mangelt. Das historisch eingefahrene Prinzip männlicher Alleinherrschaft ist für die Unternehmensorganisation prägend: Männer stellen eher Männer ein.
Die Berliner Medizinprofessorin Gabriele Kaczmarczyk hat dies für den medizinischen Bereich schön auf den Punkt gebracht: „Wir brauchen die Quote, weil Chefärzte am liebsten ihr eigenes jüngeres Selbst fördern, den jungen Assistenzarzt, in dem sie sich selbst wiedererkennen – und nicht die Ärztin.“

Obwohl Mädchen und Frauen immer öfter die Mehrzahl der Abiturientinnen und Studentinnen stellen und ihre Abschlüsse oft besser sind, sehen sie sich mit dem Eintritt ins Berufleben Schwierigkeiten ausgesetzt. Bei gleicher oder sogar höherer Qualifikation fangen sie auf niedrigeren Positionen an, sowohl was Gehalt als auch Organisationsstruktur angeht. Männer werden häufiger befördert, erhalten größere Gehaltssteigerungen und haben die Fürsprecher, die ihnen die Türen nach oben öffnen. Frauen dagegen bleiben bestenfalls in der mittleren Ebene hängen.

Dass nicht die schlechte Vereinbarkeit von Familie und Beruf das Haupthemmnis in Führungspositionen ist zeigen die Erfahrungen vieler kinderloser oder älterer Frauen, deren Kinder nicht mehr intensiver Betreuung bedürfen. Das Problem sind nicht die Frauen, sondern die Unternehmenskultur! Frauen müssen nicht ständig besser sein oder erfahrener, sie müssen auch nicht speziell trainiert oder qualifiziert werden, denn qualifiziert sind sie ja: es muss diesen qualifizierten und talentierten Frauen aber möglich sein, sich zu entfalten und auch ihre Fähigkeiten als Führungskräfte unter Beweis zu stellen. Und deshalb brauchen wir die Frauenquote in den Chefetagen!

Wie wenig freiwillige Selbstverpflichtungen bewirken zeigt die im Jahre 2001 von der damaligen Bundesregierung mit den Spitzenverbänden der Deutschen Wirtschaft geschlossenen Vereinbarungen. Sie sind gescheitert! Als 2010 Bilanz gezogen wurde, war der Anteil von Frauen in Aufsichtsräten gerade einmal um 2 % gestiegen. Auch im Jahre 2012 lag der Männeranteil im Vorstand der 30 DAX- Unternehmen noch bei 93%.

Mit freiwilliger Selbstverpflichtung hat auch die EU Kommissarin Viviane Reding schlechte Erfahrungen gemacht. Im März 2011 rief sie europäische Aktiengesellschaften dazu auf, ihren Frauenanteil in Führungspositionen bis 2020 freiwillig auf 40% zu erhöhen. Ein Jahr später musste sie resignierend feststellen, dass sich gerade 24 Unternehmen dazu bereitgefunden hatten – darunter kein deutsches. Seit Sommer letzten Jahres kämpft die Rechtskommissarin jetzt für die Einführung einer verbindlichen Quote – denn nur dort, wo es sie gibt, sind zügige und verlässliche Erfolge zu verzeichnen. Das Paradebeispiel ist das Nicht EU Land Norwegen, aber auch die Einführung einer Quotenregelung in Frankreich 2011 hat zu schnellen Verbesserungen geführt.

Nach zähem Ringen hat jetzt die Europäische Kommission im November 2012 einen Richtlinienvorschlag vorgelegt, der in vielen Punkten der widerstrebenden Bundesregierung schon die Hand entgegenstreckt. Nach dem Gesetzentwurf müssen die EU-Mitgliedstaaten dafür sorgen, dass ab 2020 Aufsichträte großer börsennotierter Unternehmen zu 40% mit Frauen besetzt sind, im Falle von Unternehmen mit vorwiegend öffentlicher Beteiligung schon 2018. Bei Neubesetzung von Aufsichträten soll das „unterrepräsentierte Geschlecht“ bei gleicher Qualifikation bis zum Erreichen der Quote bevorzugt werden. Die Richtlinie hätte Auswirkung auf etwa 5000 börsennotierte Unternehmen, Firmen mit weniger als 250 Mitarbeiterinnen und einem Jahresumsatz unter 50 Millionen sind erst einmal ausgenommen.

Im Mühen um einen zustimmungsfähigen Kompromiss wurden für die Vorstände, die das eigentlich operative Geschäft verantworten, verbindliche Regelungen zurückgenommen und Sanktionen entschärft. Kritiker sprechen davon, dass es sich nur noch um ein Frauenquötchen handele und dass der Tiger Frauenquote als schnurrendes Kätzchen daherkomme. Trotz dieser Kritik, die ich teile, wäre das Aufbruchsignal einer EU-weiten Frauenquote nicht geringzuschätzen.

Aber selbst diese abgemilderte Richtlinie geht der Bundesregierung noch zu weit! Pünktlich zum Frauentag 2013 hat die Bundeskanzlerin die widerstrebende Ursula von der Leyen an die Kandarre genommen und das Kabinett auf Linie gebracht. Die Vertretungen der Bundesregierung in Brüssel sind nunmehr angewiesen, die Ablehnung selbst dieses weichgespülten Richtlinienvorschlages aktiv voranzutreiben.

Durch diplomatische Verhandlungen solle die Bildung einer Sperrminorität erreicht werden. Begründet wird diese Haltung der Bundesregierung mit einem Verstoß gegen das Subsidiaritätsprinzip und die fehlende europäische Rechtsgrundlage für die Quotenregelung.

Beide Argumente sind ein absolutes europapolitisches Armutszeugnis und zeigen, wie rückständig Deutschland auf dem Gebiet der Gleichstellungspolitik ist! In Art. 3 Absatz 3 des Vertrages über die Europäische Union, , in Art. 23 der Europäischen Grundrechtecharta, im Vertrag über die Arbeitsweise der europäischen Union und in den Antidiskriminierungsrichtlinien ist der Auftrag der EU zur Herstellung von Chancengleichheit verankert und die EU ist hierin auch handlungsbefugt.

Der Bundesrat hat demgegenüber in seiner zustimmenden Stellungnahme auf diese Rechtsgrundlagen ausdrücklich verwiesen. Die Bundesregierung selbst hat auch gar keine Subsidiaritätsbeschwerde geltend gemacht und ein Vetorecht steht ihr nach den Lissaboner Verträgen auch nicht zu!

Dass eine Quote mit deutschem Verfassungsrecht und Europarecht vereinbar ist hat bereits im Mai 2011 die Konferenz der Justizministerinnen und Justizminister in Halle festgestellt sowie zahlreiche Experten bei einer Anhörung im Bundestag im Januar 2013. Der Deutsche Juristinnenbund fordert ganz entschieden eine verbindliche, gesetzliche Quotenregelung zur Erhöhung des Frauenanteils in Entscheidungsgremien und weist auf Art. 3 Abs. 2 Satz 2 GG hin, wonach der Staat die Gleichberechtigung fördern und bestehende Nachteile beseitigen muss.

Für eine Frauenquote in der Wirtschaft erheben sich immer mehr Stimmen: die Journalistinnen fordern einen Frauenanteil von mindestens 30% bereits bis 2017, eine Initiative von Ärztinnen fordert den Frauenanteil in Führungspositionen binnen 5 Jahren von mageren 10% auf 40% zu erhöhen und der Bundesrat hat im September den von den Ländern Hamburg und Brandenburg eingebrachten Gesetzentwurf zur Förderung der gleichberechtigten Teilhabe von Frauen und Männern in Führungsgremien mit Stimmen aus CDU mitregierten Ländern zugestimmt. Im Bundestag ist dieser Gesetzentwurf neben einem wortgleichen von SPD und GRÜNEN und einem weiterreichenden der SPD Fraktion im Verfahren. Und auch das Deutsche Institut für Wirtschaftsforschung (DIW) hat die „männliche Monokultur“ in deutschen Unternehmen kritisiert und Veränderungen angemahnt.

Selbst im Gleichstellungsbericht der Bundesregierung steht: „Die Kosten des gegenwärtigen Nichtstuns übersteigen die einer zukunftsweisenden Gleichstellungspolitik bei weitem.“

Doch die Kanzlerin und die „Bundesministerin für die Verteidigung eines antiquierten Frauenbildes und Beibehaltung alter Zöpfe“ Kristina Schröder sind nicht nur unfähig, endlich entsprechende Gesetzgebung in Deutschland voranzubringen, nein, jetzt bremsen sie auch noch sehr moderate Vorschläge von der EU- Ebene aus. Gemeinsam mit der Partei der Fast Frauenfreien Zone FDP enthalten sie mit Hinweis auf abstruse Leistungs- und Qualitätskriterien Frauen Chancen vor, die ihnen zustehen. Ob es sich die CDU als Volkspartei weiterhin leisten kann, die Hälfte des Volkes im Regen stehen zu lassen, muss sie selbst entscheiden. Die Bundesfamilienministerin eilte erst kürzlich betroffen in ihre Heimatstadt Wiesbaden – die auch meine Heimatstadt ist – wo ihre Partei bei den Oberbürgermeisterwahlen erneut eine Großstadt und Landeshauptstadt verloren hat. In Hessen ist ihr keine Großstadt mehr geblieben; bundesweit war es nach Frankfurt/Main, Stuttgart und Karlruhe eine bittere Serie von Niederlagen. Vielleicht dämmert es ja mal, dass der Verlust von städtischen Milieus an SPD und GRÜNE auch mit einer völlig unzeitgemäßen Frauen- und Gleichstellungspolitik zu tun hat.

Für uns GRÜNE ist geschlechtergerechte Politik von der Kommune bis zur Internationalen Gemeinschaft ein Kernanliegen. Bitte unterstützen Sie mit Ihrer Zustimmung zum vorliegenden gemeinsamen Antrag die Einführung einer EU-weiten Frauenquote und die Bitte an die Landesregierung, sich weiterhin nach Kräften dafür einzusetzen, insbesondere über den Bundesrat.