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Ursula Nonnemacher spricht zur Aktuellen Stunde auf Antrag der Fraktion DIE LINKE: „Gute Arbeit in Brandenburg, Deutschland und Europa“

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- Es gilt das gesprochene Wort!

Anrede!

Der Kampf um den 8-Stunden-Tag hat 1886 den Tag der Arbeit begründet. Fast 130 Jahre später ist gute Arbeit noch immer keine Selbstverständlichkeit. Immer mehr Jobs in Deutschland sind prekär. Leiharbeit, befristete Arbeitsverträge, Praktika-Schleifen, Werkverträge und Minijobs erreichten in den letzten Jahren Rekordstände. Deutschland liegt beim gestiegenen Anteil des Niedriglohnsektors im europäischen Vergleich ganz vorn; mehr als jede Fünfte arbeitet darin. Der hohe Stand sozialversicherungspflichtiger Beschäftigung verdeckt dabei die Abnahme von Normalarbeitsverhältnissen und die Zunahme von Teilzeit- und befristeter Beschäftigung. Das, meine sehr verehrten Damen und Herren, ist allen bekannt, wird immer wieder kritisiert, führt aber zu keinem konsequenten Gegensteuern.

Dabei profitiert von guter Arbeit die gesamte Gesellschaft. Eine Gesellschaft, die den sozialen Zusammenhang gewährleisten und soziale Verwerfungen vermeiden will, ist auf einen sozialen Ausgleich am Arbeitsmarkt angewiesen. Nur auf der Grundlage verlässlicher Beschäftigungsperspektiven und existenzsichernder Entlohnung können Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer ihr Leben mit einen Mindestmaß an Sicherheit gestalten und planen.

Die jetzt geplante Einführung eines Mindestlohns in Deutschland ist ein richtiger Schritt zum Schutz vor Lohndumping und Herstellung fairer Wettbewerbsbedingungen, gerade hier in Ostdeutschland. Er allein ist aber kein Garant für gute Arbeit und wird die Eingliederung von Langzeitarbeitslosen in den ersten Arbeitsmarkt nicht erleichtern. Gerade in diesem für sie so zentralen Politikfeld hat die rot-rote Landesregierung keine Erfolge aufzuweisen: „Arbeit für Brandenburg“ grandios gescheitert, große Schwierigkeiten bei der Mittelvergabe aus dem ESF für den sozialen Arbeitsmarkt, weil die Landesregierung am Bedarf vorbei geplant hat.

Gute Arbeitsmarktpolitik muss sich aller Möglichkeiten staatlichen Einflusses und Ressourcen bedienen, um jedem Menschen die Chance auf Teilhabe im Arbeitsmarkt zu eröffnen. Besonders jungen Menschen ist durch gute Bildung und Ausbildung von Beginn an die Chance zur Integration zu geben. Brandenburg hat laut Bildungsmonitor der „Initiative neue soziale Marktwirtschaft“ aus dem letzten Jahr hier aber weiterhin noch beträchtliche Defizite und liegt im Bundesvergleich auf Platz 16.

Gute Arbeitsmarktpolitik muss aber auch neue Perspektiven für Menschen schaffen, die bisher von Erwerbsarbeit weitgehend ausgeschlossen sind: Menschen mit Behinderungen, MigrantInnen, Alleinerziehende, Schulabbrecher, Ältere, Langzeitarbeitslose und Geringqualifizierte dürfen nicht zurückgelassen werden. Große Sorge bereitet uns hier auch die im transatlantischen Freihandelsabkommen geplante weitere Liberalisierung von Dienstleistungen, die mögliche Öffnung des öffentlichen Beschaffungswesens und die drohende Absenkung der Standards für Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmern.

Gute Arbeit und einen Mindestlohn zu fordern ist das Eine, Unternehmen zu haben, die solche Standards auch bieten können, das Andere. Nach wie vor fließt der Löwenanteil der Brandenburger Wirtschaftsförderung in klassische Investitionsprojekte und nicht in die Köpfe und die Kreativität von Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmern. Wir müssen aber dringend neue Ideen und Innovationen stärker fördern damit die Unternehmen auch in der Lage sind, attraktive und gute Arbeitsplätze anzubieten. Sonst wandern die hier gut ausgebildeten jungen Leute ab und es kommen aus anderen Regionen Europas zu wenige zu uns. Einer Umfrage zu Folge haben bisher nur 2,5 % der Befragten Unternehmen in der Region Berlin-Brandenburg bisher die Möglichkeiten der neuen Arbeitnehmerfreizügigkeit genutzt und sich um ausländisches Fachpersonal bemüht.

Anrede

Außer der angekündigten Einführung eines flächendeckenden gesetzlichen Mindestlohns hat sich in Puncto „gute Arbeit“ wenig getan. Auch rot-rot ist es bisher nicht gelungen, nennenswerte Fortschritte zu erzielen. Die Chancen, die sich aus der neuen Arbeitnehmerfreizügigkeit ergeben könnten, werden in Brandenburg noch nicht genutzt und TTIP bedroht die sozialen Standards in unserem Land. Noch immer bedrohen Massenarbeitslosigkeit und unerträgliche Jugendarbeitslosigkeit weite Teile Europas – nein von guter Arbeit in einem sozialen Europa sind wir noch weit entfernt.