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Ursula Nonnemacher spricht zum Gesetzentwurf der CDU-Fraktion „Erstes Gesetz zur Änderung des Brandenburgischen Bestattungsgesetzes“

- Es gilt das gesprochene Wort!

Anrede!

Meine Fraktion hat für die Intention des Gesetzentwurfs der Fraktion der CDU zur Änderung des Bestattungsgesetzes Sympathie, auch wenn wir nicht jede Formulierung für glücklich halten. Denn: Ich bin mir sicher, dass uns alle die gemeinsame ethische Überzeugung verbindet, dass jedes Leben Würde besitzt. Diese Haltung müssen wir selbstverständlich auch auf den Umgang mit einem nicht mehr entwicklungsfähigen Leben, wie dem eines fehlgeborenen oder totgeborenen Kindes, beziehen. Der rasche Fortschritt der Behandlungsmöglichkeiten der modernen Medizin zieht nach sich, dass auch inbegriffene gesellschaftliche Fragen im Umbruch bleiben und immer wieder neu beantwortet werden müssen. Zu Zeiten meines Medizinstudiums wurde von einer Fehlgeburt bei Beendigung der Schwangerschaft vor der vollendeten 28. SSW gesprochen. 1994 wurde im Personenstandsgesetz die Grenze zwischen Totgeburt und Fehlgeburt von 1000 g auf 500 g abgesenkt. Mittlerweile überleben Kinder aus der 22. SSW mit einem Gewicht von deutlich unter 500g. Dies und die Änderung des Personenstandsgesetzes im Frühjahr 2013 lassen den Begriff „Fehlgeburt“ immer fragwürdiger erscheinen. Die betroffenen Eltern sprechen denn auch lieber von „Sternenkindern“.

So muss die Frage gestellt werden, ob ein totgeborenes Kind unabhängig von seinem Geburtsgewicht bestattet werden darf. Etwa 15% aller Schwangerschaften enden als Fehlgeburt. Für die Eltern ist der Verlust ihres ungeborenen Kindes psychisch belastend und durch Trauer geprägt. In Einzelfällen können diese Schwangerschaften schon weit fortgeschritten gewesen sein. Erst ab einem Gewicht von 1000 Gramm gilt ein totgeborenes Kind in Brandenburg bislang als bestattungspflichtig. Mit dem vorgeburtlichen hochauflösenden Ultraschall und der frühen Möglichkeit der Geschlechtsbestimmung oder der gängigen Praxis der Erstellung von “Fotos” des Kindes wird bereits sehr früh in der Schwangerschaft eine emotionale Beziehung zum Kind aufgebaut. Hinzu kommt, dass ungefähr ab der 14. Schwangerschaftswoche die Mütter eines in ihrem Körper verstorbenen Kindes den vollständigen geburtlichen Prozess durchmachen müssen. Auch diese Geburten können Stunden bis Tage dauern, angefangen beim Warten auf die Wehen bis zur abschließenden Geburt. Der Gedanke, Geburtsschmerzen ohne die Aussicht auf ein lebendes Kind durchstehen zu müssen, wird von den meisten Frauen als extrem belastend empfunden.

Um zu verstehen, dass ihr Kind nicht leben wird, müssen dieselben Rituale, die helfen, den Abschied von anderen Verstorbenen begreifbarer zu machen, auch den Eltern tot geborener Kinder selbstverständlich ermöglicht werden. Hier ist es völlig unpassend vorzuschreiben, dass Kinder unterhalb eines Geburtsgewichtes von 1000 Gramm nur auf Wunsch eines Elternteils zu bestatten sind. Es ist richtig, dass eine Neuformulierung des Gesetzes eindeutig beschreibt, dass die Eltern durch das Klinikpersonal über das Recht auf eine Bestattung ihres Kindes hingewiesen werden müssen.

Auch in der die Festlegung auf ein Geburtsgewicht von unter 1000 Gramm hinkt das Brandenburgische Bestattungsgesetz bedauerlicherweise der gesellschaftlichen Realität hinterher. In anderen Ländern wurde die Grenze zur Bestattungspflicht bereits gesenkt. Der Deutsche Bundestag hat im Jahr 2013 einstimmig dem Personenstands-Änderungsgesetz zugestimmt. Die Neuregelung sieht vor, dass Eltern ihre Kinder, die mit unter 500 Gramm tot geboren wurden, beim Standesamt namentlich anmelden können. Seitdem können sie damit ihren Kindern offiziell eine Existenz geben und erhalten so auch die Möglichkeit, sich als Familien zu begreifen und sich zu verabschieden.

Vor dem Hintergrund dieses gesellschaftlichen Wandels sollten die Regelungen im Brandenburgischen Bestattungsgesetz angepasst werden. Dies gilt insbesondere für die „hygienisch einwandfreie Entsorgung“ von Totgeborenen unter 1000g. Folgerichtig ist daher auch die von der CDU im Gesetzentwurf vorgesehene Änderung begrüßenswert, dass tot geborene Kinder, deren Eltern es nicht selber bestatten lassen möchten, von der Einrichtung, in der Geburt erfolgt ist, unter würdigen Bedingungen zu sammeln und zu bestatten sind. Die dabei entstehenden Kosten sind auch aus unserer Sicht den Krankenhäusern zuzumuten, denn die Unterstützung, die die betroffenen Mütter und Väter durch die vorgeschlagene Gesetzänderung erhalten, zählt weit mehr. Diese Form von Sammelbestattungen ist im Übrigen schon in acht Bundesländern Gesetz.