Zum Inhalt springen

Ursula Nonnemacher spricht zum Gesetzentwurf des Abgeordneten Péter Vida „Gesetz für mehr direkte Demokratie bei Bürgerentscheiden“

- Es gilt das gesprochene Wort!

Anrede!

Der hier vorliegende Gesetzentwurf erkennt ein Problem, mit dem wir in Brandenburg schon lange zu kämpfen haben: Den Bürgerinnen und Bürgern wird es unnötig schwer gemacht, direkt mitzuentscheiden. Aufgrund des Erfordernisses von Quoren in direktdemokratischen Verfahren und Wahlen entfaltet das Votum der Mehrheit keine Wirkung mehr. Stattdessen wird Wahlabstinenz als Taktisches Mittel belohnt. Dies ist in Zeiten sinkender Wahlbeteiligung und einer wachsenden Unzufriedenheit mit unserem demokratischen System nicht hinnehmbar. Grundsätzlich befürworten wir daher die Forderung dieses Gesetzentwurfs, das Quorum für Bürgerentscheide von 25 Prozent auf 15 Prozent aller Stimmberechtigten abzusenken.

Es ist aber fraglich, ob der Gesetzentwurf mit allein dieser Forderung tatsächlich seinem Namen „Gesetz für mehr direkte Demokratie bei Bürgerentscheiden“ gerecht wird.

Die Stärkung der direkten Demokratie sowohl auf Landesebene als auch in den Kommunen ist meiner Fraktion seit jeher ein zentrales Anliegen. In der letzten Legislaturperiode legten wir mit unserem Entschließungsantrag „Kommunalverfassung weiterentwickeln – Mitwirkungs- und Bürgerrechte stärken“ dem Landtag einen umfassenden Katalog mit Reformvorschlägen vor. Darin machten wir uns stark für:

  • Eine Verkleinerung des Ausschlusskataloges bei Bürgerbegehren, um den Bürgerinnen und Bürgern zu ermöglichen über Teile des Haushaltes und der Bauleitplanung mitzubestimmen.
  • Die hohe Hürde eines Kostendeckungsvorschlages sollte auf eine amtliche Kostenschätzung der Verwaltung reduziert werden.
  • Das Zustimmungsquorum wollten wir auf 15% der Abstimmungsberechtigten senken.
  • Einen Bürgerentscheid auch für Ortsteile einer Gemeinde in Angelegenheiten, die allein den Ortsteil betreffen.
  • Eine Senkung der EinwohnerInnengrenze auf 20.000 für die Bestellung einer hauptamtlichen Gleichstellungsbeauftragten,
  • eine Stärkung der Beauftragten für die Rechte von Menschen mit Behinderungen,
  • eine Verbesserung der Akteneinsichts- und Auskunftsmöglichkeiten für gewählte GemeindevertreterInnnen und
  • eine Verankerung der Kinder- und Jugendbeteiligung in der Kommunalverfassung

Die Beteiligungsmöglichkeiten der Bürgerinnen und Bürger sind auch auf der kommunalen Ebene immer noch unzureichend. Der Bürgerbegehresbericht 2014 des Vereins „Mehr Demokratie e.V.“ bescheinigt Brandenburg erneut, beim Themenausschluss mit am restriktivsten zu sein. Insgesamt liegt bei uns der Anteil der als unzulässig klassifizierten Bürgergehren bei 34,3%. Das Zustimmungsquorum von 25% ist für uns zwar wie ausgeführt nur ein Aspekt unter mehreren, es ist aber zweifellos eine überzogene Hürde.

Dass die Beteiligung an Bürgerentscheiden niedriger liegt als bei Wahlen – obwohl dort die Wahlbeteiligung zunehmend beklagenswert ist – liegt in der Natur der Sache. Bei einer Wahl geht es um eine Richtungsentscheidung für die nächsten Jahre, bei einem Bürgerentscheid um Zustimmung oder Ablehnung in einer einzelnen Sachfrage. Die Wahlbeteiligung bei Bürgerentscheiden, die durch ein Bürgerbegehren veranlasst wurden, lag bundesweit bei 47,3%. In den ostdeutschen Ländern liegt sie in der Regel niedriger. Daran lässt sich ermessen, wie schwierig ein Zustimmungsquorum von 25% zu erzielen ist, selbst wenn sich eine deutliche Mehrheit der Abstimmenden für das Anliegen ausspricht. Durch das Zustimmungsquorum kann also eine demokratisch ermittelte Mehrheit in eine Minderheit umdefiniert werden.

Besonders fragwürdig ist natürlich der Vergleich zum Zustimmungsquorum von 15% bei Bürgermeister- oder Landrätinnenwahlen, die auch Herr Vida in seinem Gesetzentwurf anführt. Ich zitiere dazu den ehemaligen Münchner Bürgermeister Christian Uhde (SPD):“ Wenn wir Kommunalpolitiker unsere Legitimation auch bei verheerend niedriger Wahlbeteiligung nicht in Zweifel ziehen, dürfen wir bei Einzelentscheidungen der Bürgerschaft keine höheren Prozentsätze verlangen, als sie uns selber als Legitimationsbasis zur Verfügung stehen.“

Abgesehen davon, dass wir bei der Direkten Demokratie auf kommunaler Ebene mehr als das Quorum im Blick haben, wir Zustimmungsquoren überhaupt problematisch finden und perspektivisch auf einfach Mehrheitsentscheidungen setzen, geht der Gesetzentwurf des Kollegen Vida in die Richtige Richtung. Wir werden ihm zustimmen und fordern die Koalitionsfraktionen auf, ihre im Koalitionsvertrag angekündigte Verbesserung der Bürgerbeteiligung gleich mal umzusetzen.