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Ursula Nonnemacher spricht zum Gesetzentwurf unserer Fraktion „Zweites Gesetz zur Änderung des Volksabstimmungsgesetzes“

>> Zum Gesetzentwurf unserer Fraktion (pdf-Datei)

- Es gilt das gesprochene Wort!

Anrede!

Der Wunsch nach mehr Bürgerbeteiligung in Brandenburg ist sehr hoch. Dies belegt wieder einmal der Volksbegehrensbericht 2015 von Mehr Demokratie eV., der letzte Woche herausgegeben wurde. Nach diesem Bericht gehört Brandenburg zu den Spitzenreitern, wenn es um die Einleitung direktdemokratischer Verfahren geht. 38 Verfahren der direkten Demokratie wurden bereits abgeschlossen, 4 befinden sich derzeit im laufenden Verfahren:

  • Die Volksinitiative „Rettet Brandenburg“, die sich für größere Mindestabstände von Windrädern einsetzt,
  • die Initiative „Musische Bildung jetzt“, die mehr Geld fordert für die Brandenburgischen Musik- und Kunstschulen,
  • die Initiative „Keine 3. Startbahn am BER“ sowie
  • die Volksinitiative „Stoppt Massentierhaltung!“

Zwei dieser Initiativen: Die Initiative „Musische Bildung jetzt!“ und die „Volksinitiative gegen Massentierhaltung“ wurden gestern hier im Plenum debattiert.

Auch wenn die Initiative für die sogenannte „10 H- Regelung“ in unseren Augen höchst kontraproduktiv für den Ausbau der Erneuerbaren Energien wäre und die Energiewende gefährden würde, haben wir Verständnis dafür, dass diese Fragen die Menschen in Brandenburg bewegen und hier der Wunsch nach demokratischer Mitwirkung besteht.

Dass der soeben zitierte Volksbegehrensbericht Brandenburg im Länder-Ranking für die Regelungen zur direkten Demokratie nur die Note 4, 3 gibt, liegt daher nicht am Desinteresse der Brandenburger Bevölkerung. Vielmehr scheuen sich die Volksinitiatoren nach der ganzen Arbeit und Kraft, die sie bereits in die Volksinitiative gesteckt haben, den zweiten Schritt in das Volksbegehren zu tun. Denn die Erfahrung zeigt: Spätestens auf der zweiten Stufe des dreistufigen Volksgesetzgebungsprozesses ist regelmäßig Schluss: Die eingeleiteten Volksbegehren können die Hürden nicht nehmen.

Unsere Fraktion hat daher schon im Februar 2011 Gesetzentwürfe vorgelegt zur Stärkung der Direkten Demokratie, die einen wirklich substantiellen Fortschritt ermöglicht hätten: weitgehende Aufhebung des Themenausschlusskatalogs, die Streichung des Zustimmungsquorums beim einfachgesetzlichen Volksentscheid, Senkung des Quorums beim verfassungsändernden Volksentscheid, erleichterte Synchronisation von Wahlen und Abstimmungen, Verlängerung der Sammelperiode, Versand von Informationsbroschüren zum Gegenstand eines anstehenden Volksentscheides und die freie Unterschriftensammlung.

Mit diesen Instrumenten hätte Brandenburg Vorreiter in Sachen direkte Demokratie werden können. Doch diese Chance wurde nicht genutzt. Das Thema wurde durch die Blockadehaltung der SPD ein ums andere Mal von der Tagesordnung genommen und am Ende konnte nur ein Minimalkompromiss erreicht werden, mit dem niemand zufrieden sein kann. Die jetzt geltende Regelung mit der Eröffnung weiterer Abstimmungsräume in Kitas, Sparkassen oder Bibliotheken ist umständlich und willküranfällig. Da durch die Möglichkeit weitere Abstimmungsräume zu eröffnen der sofortige Abgleich mit dem Melderegister sowieso nicht mehr möglich ist und nachträglich erfolgen muss, hätte auch gleich die freie Unterschriftensammlung eingeführt werden können. Der damals von den Koalitionsfraktionen vorgelegte Gesetzentwurf ist daher unter die Rubrik „groteske Abwehrkämpfe gegen die freie Sammlung“ einzuordnen.

Unser zentrales Anliegen war auch damals schon die Einführung der freien Unterschriftensammlung. Der immer noch geltende obligatorische Amtseintrag stellt im dünnbesiedelten Flächenland Brandenburg die größte Hürde für Volkbegehren dar. Auch die Einführung der Briefeintragung konnte hier nur sehr bedingt Abhilfe schaffen. Mit 80 000 nötigen Unterschriften für Volksbegehren ist das Quorum in Brandenburg zwar niedrig, aber die abschreckende Wirkung des Amtseintrages bleibt weiterhin hoch. Zu Recht bezeichnet der Verein „Mehr Demokratie eV“ genau aus diesem Grund die Regelung in Brandenburg als „Musterfall einer missglückten Amtseintragungsregelung“.

Dabei zeigen Zustand und Bewegungen in den anderen Bundesländern, dass es zur freien Unterschriftensammlung keine Alternative mehr gibt. Brandenburg ist unter den Ländern mit Landesverfassungen jüngeren Datums das einzige Land, das die freie Unterschriftensammlung nicht kennt. Alle anderen ostdeutschen Bundesländer sowie Berlin, Hamburg, Bremen, Niedersachsen und Nordrhein-Westphalen haben die Vorteile der freien Unterschriftensammlung bereits erkannt und diese eingeführt. In weiteren Ländern wie zum Beispiel Schleswig Holstein finden aktuell Reformbestrebungen statt. Nur Brandenburg dümpelt mit seinen zaghaften Reförmchen aus der letzten Legislatur weiter vor sich hin. Hier begnügt man sich damit, zur Rechtfertigung der Amtseintragungsregel Negativbeispiele wie Hessen oder Bayern heranzuziehen, die ebenfalls auf der amtliche Aufsicht bestehen. Im aktuellen Volksbegehrensbericht erhält aber gerade Hessen die Note mangelhaft (4,5) und Bayern wird als bestes Beispiel für erfolglose Volksbegehren bezeichnet. Hier scheiterten eine Vielzahl an Volksbegehren, weil die Initiatoren nicht genügend Unterschriften sammeln konnten. Grund hierfür unter anderem: das Verbot der freien Unterschriftensammlung.

Dabei liegen die Vorteile der freien Unterschriftensammlung klar auf der Hand: Sie gibt den Volksbegehren nicht bloß eine größere Erfolgschance.

Freie Unterschriftensammlung bedeutet auch weniger Bürokratie und weniger Aufwand für die Ämter: Die kommunalen Abstimmungsbehörden müssen sich nicht mehr mit komplizierten Prüfverfahren der Unterschriften und Briefeintragungen beschäftigen. Denn unser Gesetzentwurf sieht vor, dass die Unterschriften zentral von der Landesabstimmungsleiterin, bzw. dem Landesabstimmungsleiter geprüft werden. Dieses zentral durchgeführte Prüfverfahren hat sich in anderen Bundesländern, wie zum Beispiel in Mecklenburg- Vorpommern bewährt. Indem die Landesabstimmungsleiterin, bzw. der Landesabstimmungsleiter Zugriff auf das Landesmelderegister erhält, wird auch einer etwaigen Missbrauchsgefahr vorgebeugt.

Ein weiterer, ganz entscheidender Vorteil der freien Unterschriftensammlung ist, dass politische Auseinandersetzung und Diskussionen in der Öffentlichkeit möglich gemacht wird - also auf der Straße, auf Marktplätzen, an Infoständen und auf Veranstaltungen. Die bereits geschaffene Möglichkeit der Briefeintragung kann genau diesen wichtigen Beitrag nicht leisten. An dieser Stelle möchte ich bemerken, dass wir derzeit in Brandenburg mit einer hohen Wahlmüdigkeit zu kämpfen haben. Das zeigt nicht nur die letzte Landtagswahl, bei der die Wahlbeteiligung bei nur 47,9 Prozent lag. Das zeigt auch die gescheiterte Landratswahl in Oberhavel, bei der sich die Bürgerinnen und Bürger von Demokratie-Hürden wie dem Quorum von 15 Prozent abschrecken ließen. In solchen Zeiten ist es wichtig, den Volksinitiatoren ein Zeichen zu setzen. Sie warten auf Verbesserungen und möchten sie nutzen. Dies ist uns Ansporn dafür einzustehen, dass sie auch kommen. Es kann nicht sein, dass auf Bundesebene von der Generalsekretärin der SPD, Yasmin Fahimi, Vorschläge unterbreitet werden, bei regulären Wahlen Abstimmungsmöglichkeiten in Supermärkten und Stadtbibliotheken einzurichten und wir es in Brandenburg nicht einmal schaffen, den Bürgerinnen und Bürgern bei Volksbegehren den Weg in die Amtsstube zu ersparen.

Die freie Unterschriftensammlung fördert den politischen Diskurs, ist einfach durchzuführen und entbürokratisiert das Verfahren gegenüber der bisherigen Regelung. Auch auf der Stufe der Volksinitiative müssen die gesammelten Unterschriften im Nachtrag überprüft werden. Dies sind zwar in der Regel weniger, aber die Volksinitiative gegen die Polizeistrukturreform erreichte schon auf der 1. Stufe 97.000 Unterschriften, war also mit der Anzahl bei einem Volksbegehren durchaus vergleichbar. Lassen Sie uns gemeinsam durch Zulassung der freien Sammlung dazu beitragen, dass es in Brandenburg endlich einmal einen Volksentscheid geben wird.

>> Zum Gesetzentwurf unserer Fraktion (pdf-Datei)

Der Antrag auf Überweisung in den Ausschuss für Inneres und Kommunales wurde abgelehnt.

Unser Gesetzentwurf wurde abgelehnt.