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Marie Luise von Halem spricht zum Antrag unserer Fraktion „Gesellschaftliche Vielfalt im ZDF-Fernsehrat verbessern“

>> Zum Antrag unserer Fraktion (pdf-Datei)

- Es gilt das gesprochene Wort!

Anrede

Über Staatsverträge haben wir in der letzten Legislaturperiode viel geschimpft. Staatsverträge, die uns Abgeordneten immer erst vorgelegt werden, wenn sie schon ausgehandelt sind, die keine richtigen Debatten zulassen, sondern nur „friss oder stirb“. Staatsverträge, die insbesondere, wenn es um das Verhältnis Berlin und Brandenburg geht, immer wieder deutlich machen, wie undemokratisch diese Kooperation in zwei getrennten Bundesländern ist. Gerade der Medienbereich unterliegt der parlamentarischen Kontrolle so weitgehend nur auf dem Papier, weil die Staats- bzw. Senatskanzleien alle wichtigen Dinge unter sich aushandeln. Ein gemeinsames Parlament könnte diese Fragen ganz anders diskutieren!

Hier weichen wir mal von diesem Verfahren ab und legen einen Antrag vor, der in die laufenden Verhandlungen eingreift.

Was ist passiert? 2009 haben Grüne und Linke gemeinsam im Bundestag ein Normenkontrollverfahren gegen den ZDF-Staatsvertrag initiiert, um mehr Staatsferne und gleichzeitig eine breitere gesellschaftliche Vertretung in den Aufsichtsgremien des ZDF (aber natürlich damit auch insgesamt der öffentlich-rechtlichen Medienanstalten!) zu erreichen. Die Aufsicht öffentlich-rechtlicher Medien gehört nicht in die Hände von Ministerpräsidenten und Staatskanzleichefs. Bürgerinnen und Bürger zahlen für den Rundfunk, sie können und dürfen erwarten, dass Nachrichten und Kommentierung nach Relevanz, und nicht nach politischer Nähe ausgewählt und bewertet werden. Die Vertreterinnen und Vertreter in den Aufsichtsgremien sollen die Gesellschaft widerspiegeln und nicht den Staat!

Im März 2014 urteilte das Bundesverfassungsgericht, dass die Regelungen zur Zusammensetzung des ZDF-Verwaltungsrates gegen Art. 5 Abs. 1 Satz 2 Grundgesetz verstoßen. Das Gericht verpflichtete die Länder, bis spätestens zum 30. Juni 2015 eine verfassungsgemäße Neuregelung zu treffen, die den Anteil "staatsnaher" Verwaltungsratsmitglieder auf dreißig Prozent begrenzt.

Wir sind nicht der Meinung, dass es mit dem vorliegenden Entwurf des 17. Rundfunkänderungsstaatsvertrages tatsächlich gelungen ist, den Staatseinfluss wie geboten zu reduzieren und die Vielfalt der Gesellschaft ausreichend abzubilden. Darin sind wir uns übrigens einig mit der linken Bundestagsfraktion, wie der von Harald Petzold und Halina Wawzyniak unterzeichneten Stellungnahme zu entnehmen ist.

Über die Besetzung des Verwaltungsrates mit ‚staatsnahen’ Personen hinaus ist auch die Vertretung von Verbänden und gesellschaftlichen Gruppen unzureichend gelöst. Die Zuordnung verschiedener Interessenvertreter_innen zu jeweils einem Bundesland ist absurd. So ist z.B. Hessen für Migranten zuständig, Niedersachsen für Muslime, Mecklenburg-Vorpommern für Bürgerschaftliches Engagement, Rheinland-Pfalz für Menschen mit Behinderungen usw.

Diese Benennung durch die jeweiligen Landesregierungen beinhaltet natürlich a) auch wieder große Staatsnähe und b) wäre auch hier ein rotierendes System näher liegend, denn dass z.B. die Schleswig-Holsteiner Landesregierung, die für die Entsendung eines Vertreters für die ‚Regional- und Minderheitensprachen’ zuständig ist, jemals eine Sorbin entsenden wird und keinen Vertreter der dänischen oder friesischen Minderheit, ist doch sehr unwahrscheinlich.

Auch die Linke kritisiert das Benennungsrecht der Landesregierungen für Verbände und schlägt eine unabhängige Kommission vor, die die 16 Vertreter_innen aus den verschiedenen gesellschaftlichen Bereichen entsendet.

Es soll so gelaufen sein, dass die Bundesländer sich aus einem Pool von Interessengruppen jemand haben aussuchen dürfen. Im Verhandlungspoker sollen die drei, deren Vertretung wir jetzt hier noch beantragen, einfach übrig geblieben sein: Menschenrechtsorganisationen, der Bereich der digitalen Bürgerrechte sowie der der Lesben, Schwulen, Transsexuellen und Transgender.

Es ist nicht hinnehmbar, dass die Verkleinerung des Gremiums auf dem Rücken dieser Interessen ausgetragen wird. Denkbare Lösungen können entweder sein, dass andere Organisationen, die mit zwei Sitzen vertreten sind, einen Sitz abgeben, oder aber Rotationsmöglichkeiten geschaffen werden.

Wir stehen hier nicht alleine mit unserem Antrag. In Schleswig-Holstein beantragen SPD, Grüne und der SSW gemeinsam die Aufnahme von VertreterInnen genau dieser drei Interessengruppen. In Bremen beantragen Grüne und SPD gemeinsam ein selbstständiges Entsenderecht für den Lesben- und Schwulenverband Deutschland. Beide Anträge werden auch in dieser Woche verhandelt, angesichts der Regierungsbeteiligungen in beiden Ländern mit ziemlich klarem Ausgang. Auch der Bayrische Landtag und das Berliner Abgeordnetenhaus werden in den kommenden Wochen ähnliche Anträge debattieren.

Angesichts der breiten bundesweiten Unterstützung zu diesem Thema von SPD und Linken finden sich vielleicht auch hier ausreichend Unterstützer_innen für unser Anliegen.

>> Zum Antrag unserer Fraktion (pdf-Datei)

Unser Antrag wurde abgelehnt