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Michael Jungclaus spricht zum Doppelhaushalt 2015/2016, Einzelplan 11 (Ministerium für Infrastruktur und Landesplanung)

– Es gilt das gesprochene Wort!

Frau Präsidentin, sehr geehrte Damen und Herren,

als ich mir vor einem halben Jahr den rot-roten Koalitionsvertrag zum ersten Mal angeschaut habe, hatte ich noch etwas Hoffnung, dass dem Thema öffentlicher Personennahverkehr in dieser Legislaturperiode eine etwas höhere Priorität eingeräumt würde.

Spätestens mit dem Haushaltsentwurf des Infrastrukturministeriums und dem mangelnden Verbesserungswillen der Koalitionsfraktionen ist dieser Funke allerdings verglüht.

Werte Kolleginnen und Kollegen von SPD und LINKE, in ihrem Koalitionsvertrag steht unter anderem, dass es im Schienenpersonennahverkehr zu keinen Streckenabbestellungen kommen soll und alle Landesteile ausreichend angebunden werden sollen. „Ausreichend angebunden“ heißt aber bei Ihnen offensichtlich auch, dass Busse und Bahnen in manchen Teilen des Landes nur alle zwei Stunden halten, wenn überhaupt.

Gleichzeitig kündigen Sie an, neue S-Bahnverbindungen im Berliner Speckgürtel zu prüfen. Und da sich Ministerin Schneider leider bislang nicht von der Parole ihres Vorgängers verabschiedet hat: „Keine Mehrbestellungen ohne Kürzungen an andere Stelle“ drängt sich der Eindruck auf, dass sich entweder auf wundersame Weise eine unbekannte Geldquelle aufgetan hat oder – und das wäre fatal – Sie bewusst ein Auseinanderdriften von berlinnahen und berlinfernen Gebieten in Kauf nehmen.

Wir begrüßen es ja durchaus wenn Sie auf steigende Einwohnerzahlen im Speckgürtel mit besseren ÖPNV-Angeboten reagieren. Dies darf aber nicht auf Kosten der ländlichen Regionen gehen.

Die Diskussionen auf Bundesebene geben ja bisher wenig Anlass zur Hoffnung, dass wir mit deutlich mehr Regionalisierungsmitteln für den ÖPNV ausgestattet werden. Deshalb bitte ich Sie, zu erklären, wie Sie sich die Finanzierung von neuen S-Bahn-Strecken derzeit vorstellen und welchen Anteil das Land zu tragen hätte.

Ich habe gerade wieder in letzter Zeit bei Dutzenden von vor-Ort-Termine auf Brandenburger Bahnhöfen erfahren, welche große Bedeutung die Bahnanbindung für die Menschen dort hat und dass diese ein ganz maßgeblicher Faktor ist, um sich im ländlichen Raum niederzulassen, beziehungsweise dort zu bleiben. Wir wollen ein gutes Bahnangebot im ganzen Land und fordern daher, dass die Züge an möglichst allen Bahnhöfen und Haltepunkten wenigstens im Stundentakt halten sollen. Und mindestens bei den Strecken auf denen die Züge ohnehin stündlich verkehren, sollte dies doch eine Selbstverständlichkeit sein, Liebe Kolleginnen und Kollegen.

Schließlich wollen wir mehr Fahrgäste für den ÖPNV gewinnen - nicht verlieren, und mit Reduzierung des Angebotes eine Abwärtsspirale in Gang setzen.

Aber wenn ich mir genauer anschaue, wo SPD und LINKE in Sachen Verkehr die Prioritäten setzen, komme ich zu einer äußerst erschütternden Bilanz:

An Landesmitteln fließen in diesem Jahr in Brandenburg

1. In den Flughafen BER 243 Millionen – Kredite noch nicht mitgerechnet

2. In den Straßenbau 50 Millionen Euro – hoffentlich der Großteil davon in Instandhaltung

3. In den Öffentlichen Personennahverkehr 0 Euro

Soviel zum Stellenwert von nachhaltiger Verkehrspolitik.

Während in den umweltschädlichsten Verkehrsträger das meiste Geld fließt, hat das Land für den umweltfreundlichen ÖPNV nichts übrig.

Und es kommt noch schlimmer: sie schaffen es sogar, für den ÖPNV bestimmte Gelder aus dem ÖPNV-Etat zu entnehmen und in andere Bereiche Ihres Ministeriums zu verfrachten. In den Jahren 2015 und 2016 sind das jeweils über 11 Millionen. Damit lassen Sie die Chance verstreichen, den stetig wachsenden Fahrgastzahlen ein besseres Angebot gegenüberzustellen.

Und wenn Sie jetzt argumentieren, dass seien ja ehemals vom Land vorgestreckte Mittel, die die Verkehrsunternehmen jetzt an Sie zurückzahlen, dann unterstreichen Sie damit trotzdem, dass Ihnen der öffentliche Personennahverkehr nicht einmal diese 11,6 Mio. Euro im Jahr wert ist.

Sonst würden Sie diese Mittel, so wie wir es mit unserem Änderungsantrag gefordert haben, zumindest für das kommende Jahr im OPNV belassen. Doch konnte sich die Linke nicht einmal damit durchsetzen, zu prüfen, in wieweit Landesmittel in den ÖPNV investiert werden könnten, obwohl sie dies in ihrem Wahlprogramm versprochen hatte.

Immer nur auf den Bund zu zeigen, damit machen Sie es sich zu einfach. Andere Bundesländer, die sich für ein gutes Angebot einsetzen, packen auch eine Schippe Landesgeld für den ÖPNV obendrauf. Ich bin gespannt auf das noch zu erarbeitende Mobilitätskonzept, worüber wir dann im Infrastrukturausschuss sprechen werden. Doch was hilft ein schönes Papier, wenn Sie nicht bereit sind, Geld für die Umsetzung in die Hand zu nehmen?

Wir möchten aber nicht nur Kritik üben, sondern auch positiv hervorheben, dass SPD und LINKE es zumindest geschafft haben, einen Änderungsantrag in die Haushaltsberatungen einzubringen und dieser stimmte dann fast auch noch mit einem der unseren überein. Wir freuen uns, dass Sie die erhöhten Mittel für die Regionalen Planungsgemeinschaften beibehalten und nicht wieder abschmelzen wollen, so wie es die Landesregierung ursprünglich im Haushaltsentwurf geplant hatte.

In den letzten Wochen hatte ich wieder einmal alle Planungsgemeinschaften vor Ort besucht um mir ein Bild von deren Arbeit zu machen. In den vergangenen Jahren hat sich die Arbeit der Regionalen Planungsgemeinschaften leider fast ausschließlich um das Thema Windenergie gedreht. Das war und ist auch wichtig, dafür wurden aber andere Themen stark vernachlässigt.

Wenn man beispielsweise Vergleiche mit unseren Nachbarländern Mecklenburg-Vorpommern oder Sachsen anstellt, dann ist ganz offensichtlich, dass Brandenburg in der Ausarbeitung von integrierten Regionalplänen inhaltlich meilenweit hinterherhinkt. Wo haben wir beispielsweise konkrete Festlegungen zum Thema Landwirtschaft? Eine mögliche Ausweisung von Vorranggebieten für Landwirtschaft sollte doch zumindest beim Kollegen Folgart auf offene Ohren stoßen.

Aber statt sich grundsätzlich über Flächennutzung in Brandenburg Gedanken zu machen, ist es offensichtlich einfacher im Bereich Landwirtschaft mit einer Flächenfraßkampagne den Naturschutz als vermeintliche Hauptursache anzuprangern.

Dabei ist dieses Thema wesentlich komplexer: Wo gibt es beispielsweise beim Thema Flächen Vorgaben zum Klimaschutz? Hier haben wir so einiges nachzuholen und dafür brauchen wir gut ausgestattete Regionale Planungsgemeinschaften, die diese Pläne ja schließlich erarbeiten sollen. Zwar werden jüngst gerade mal wieder lautstark Ernteverluste durch Trockenheit beklagt – allein den Zusammenhang zu einer verfehlten Klimaschutzpolitik zu ziehen – dass schaffen Sie nicht! Integrale Regionalpläne würden auch hier weiterhelfen, liebe Kolleginnen und Kollegen.

Wir sehen deshalb die Notwendigkeit, sich darüber auszutauschen, was zukünftig im Landesentwicklungsplan geregelt werden sollte und welche Vorgaben es für die untergeordneten Regionalpläne geben sollte. Das betrifft den zu überarbeitenden Landesentwicklungsplan selbst, aber auch die Richtlinie zur Aufstellung und Fortschreibung von Regionalplänen. Bei beidem sehen wir erheblichen Aktualisierungsbedarf.

Fakt ist, dass der jetzige Landesentwicklungsplan auf äußerst wackligen Füßen steht und man sich lieber früher als später Gedanken über die Fortschreibung und die Entwicklung eines neuen Leitbildes machen sollte. Wie wir schon mit unserem letzten Antrag im Plenum verdeutlicht haben, sehen wir dabei auch Landtag und Fachausschuss in der Pflicht, sich mit diesem Thema zu beschäftigen. Schließlich heißt der Fachausschuss ja Ausschuss für Infrastruktur und Landesplanung, liebe Kolleginnen und Kollegen.

Ich hatte bisher den Eindruck, dass die gewünschte Auseinandersetzung zur Landesplanung im Fachausschuss nicht bei allen auf sonderlich großes Interesse gestoßen ist und das finde ich schade. Deshalb möchte ich an dieser Stelle noch einmal dafür werben, dass wir zu diesem Thema eine Anhörung mit Experten durchführen, um Ideen und Anregungen für den weiteren Prozess aufzunehmen. Und wenn Sie hier nicht über ihren Schatten springen können, nennen Sie es meinetwegen wieder anhörungsähnliches Fachgespräch.

Beim Kapitel Straßen- und Brückenbau anerkennen wir, dass Sie den Großteil der Gelder in Erhaltungsmaßnahmen an Landesstraßen und nicht in Neubauprojekte stecken. Über den Zustand unserer Straßen ist ja hier bereits von meinen Vorrednern richtigerweise umfangreich referiert worden. Leider kommt das Thema Radwegebau im Haushalt aber mal wieder deutlich zu kurz. Bei den aufgeführten Projekten, die über 500.000 Euro kosten sind gerade einmal vier Radwegebauprojekte dabei, dafür aber 23 Maßnahmen an den Landesstraßen selbst. Deutlicher lässt sich ihre Prioritätensetzung leider nicht beurteilen, da sie sich ja auch diesmal wieder einer transparenten Haushaltsführung verweigern und Radwege- und Straßenmittel nicht trennen.

Und ich möchte an dieser Stelle noch einmal für unseren Änderungsantrag zur Einrichtung eines Alleenschutzfonds werben. In Brandenburg gibt es derzeit rund 8000 Kilometer Alleen, das ist mehr, als in jedem anderen Bundesland!

Brandenburg hat sich in seinem Konzept zur Entwicklung von Alleen an Bundes- und Landesstraßen vorgenommen, pro Jahr 30 Kilometer Alleen nachzupflanzen, um den langfristigen Erhalt zu gewährleisten. Im vergangenen Jahr hat Brandenburg dies leider weit verfehlt. Mit nur fünf Kilometern wurde gerade einmal ein Sechstel dessen umgesetzt, was sich Brandenburg zum Ziel gesetzt hat. Wie die Statistiken zeigen, kommt die große Welle der Nachpflanzungen noch auf uns zu. Viele Alleen befinden sich bereits in einem fortgeschrittenen Alter.

Wir fordern, dass für die kommenden Jahre die notwendigen Gelder zum Erhalt unserer Alleen in einen Fonds eingezahlt werden. Derzeit stammen die Mittel für Alleennachpflanzungen aus dem Titel für Straßenbau und da das Geld schon für den Erhalt unserer Straßen zu knapp ist, ist zu befürchten, dass Sie in den kommenden Jahren eben nicht 10 Millionen Euro auf einen Schlag übrig haben werden, um das nachzuholen, was Sie heute an Nachpflanzungen nicht realisieren können. Wir fordern deshalb, jährlich 1,8 Millionen Euro für die Pflanzung von 30 Kilometer Alleen pro Jahr in den Alleenschutzfonds einzuzahlen, um diese später für größere Pflanzmaßnahmen nutzen zu können. Wir müssen es langfristig sicherstellen, dass unsere Alleen als brandenburgisches Markenzeichen erhalten bleiben.

Im Großen und Ganzen ist zusammenfassend festzustellen, dass dieser Einzelplan finanziell eng bemessen ist und die Landesregierung im Bereich Infrastruktur und Verkehr keine echten Schwerpunkte setzt. Die wenigen zusätzlichen Gelder, die in den Erhalt unserer Straßen investiert werden sollen, sind überschaubar und werden den weiteren Verfall vermutlich kaum bremsen können. Für den öffentlichen Personennahverkehr hat diese Landesregierung überhaupt keinen Landeseuro übrig und zieht hier sogar noch Gelder ab. Das ist kurzsichtig und entspricht nicht unserer Vorstellung von einer nachhaltigen Verkehrspolitik.

An die Ministerin möchte ich abschließend noch einmal ausdrücklich appellieren: Verabschieden Sie sich bitte von der Marschroute ihres Vorgängers beim Schienenverkehr: „Keine Mehrbestellung ohne Kürzungen an anderer Stelle.“ Vielen Dank.

>> Einführung eines Alleenschutzfonds (pdf-Datei)

>> Zusätzliche Mittel für den Schienenpersonennahverkehr (pdf-Datei)

Unsere Änderungsanträge wurden abgelehnt.