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Ursula Nonnemacher spricht zur Aktuellen Stunde der SPD-Fraktion „Dynamik auf dem Arbeitsmarkt bringt Chancen und Herausforderungen für ganz Brandenburg!“

- Es gilt das gesprochene Wort!

Anrede!

Der allererste Satz im Antrag der SPD-Fraktion auf diese Aktuelle Stunde ist schon ein bisschen zwiespältig: „Die positive Entwicklung auf dem Arbeitsmarkt eröffnet für ALLE Brandenburgerinnen und Brandenburger Chancen“. Rein theoretisch bestimmt, ja. Und auch wir freuen uns über die wirklich gute Entwicklung am Arbeitsmarkt. Aber ich weiß nicht, ob Sie sich in der Praxis mit diesem Satz ernsthaft direkt an einen der über 7000 Jugendlichen ohne Ausbildungsstelle im Land wenden würden? Oder an eine arbeitslose Alleinerziehende? Oder an die vielen Menschen in Brandenburg, die krankheitsbedingt bei der Arbeit ausfallen, und zwar so viele, dass das Land hier bundesweit schon wieder den zweiten Platz belegt? Vielleicht kann man das auch mal zu den vielen erwerbstätigen Frauen sagen, die für die gleiche Arbeit weniger Geld bekommen als Männer und die in einem Teilzeit-Job stecken, aus dem sie herauswollen, aber nicht dürfen? Gut qualifizierte Frauen, die trotzdem laut OECD wie zementiert nur 22% des Familieneinkommens erwirtschaften, nutzen die einfach ihre Chance nicht richtig? Was ist mit den vielen Geflüchteten, die erst über Monate einen Sprachkurs absolvieren müssen, bevor sie überhaupt für eine Vermittlung durch die Arbeitsagentur zugelassen werden? Klar ist, viele Menschen - mit völlig unterschiedlichen Ausgangslagen - können trotz der Dynamik am Arbeitsmarkt ihre Fähigkeiten nicht adäquat einbringen und kein selbstbestimmtes Leben führen. Da müssen jetzt nicht nur die Menschen ihre Chancen nutzen, sondern da müssen Sie auch ran. Auf gute Arbeit für alle diese Menschen sind wir demographisch angewiesen!

In der vergangenen Wahlperiode haben wir hier im Sozialausschuss einen guten Beschluss erarbeitet, wie Zuwanderung, Rückkehr und Integration als Beiträge zur Fachkräftesicherung begriffen und organisiert werden können. Die ursprüngliche Idee dafür kam von der CDU-Fraktion und wurde übrigens anfangs von Rot-Rot belächelt. Aber die Herausforderungen nehmen zu. Während vor allem Menschen in berlinnahen Kommunen von der Dynamik auf dem Arbeitsmarkt profitieren können, gibt es scheinbar dauerhaft strukturschwache Kreise, in denen viele Menschen für sich keine Perspektiven sehen. Die Arbeit in Branchen, in denen bereits ein Fachkräftemangel besteht, bietet häufig keine guten Bedingungen. Paradebeispiel sind die Beschäftigten in sozialen Berufen, die trotz ihrer gesellschaftlich enorm wichtigen Arbeit mit vergleichsweise niedrigen Einkommen über die Runden kommen müssen.

Und dabei macht nicht nur eine geringere Bezahlung Jobs weniger attraktiv, sondern auch Befristung, unfreiwillige Teilzeit oder Fremdbestimmung. Wer zieht für eine befristete Beschäftigung nach Brandenburg? Wer zieht für eine Teilzeit-Stelle in der Pflege hierher, wenn im nahen Berlin die Vollzeitquote signifikant höher ist? Zugegeben, auf vieles hat die Landespolitik kaum Einfluss. Aber Rahmenbedingungen kann sie schaffen. Zum Beispiel, indem sie gezielt Unternehmen in der Privatwirtschaft adressiert, um sie für Frauenkarrieren und eine Änderung der Unternehmenskultur für mehr Frauen in Führungspositionen zu sensibilisieren. Oder grundsätzlich für mehr Vielfalt: Für junge Menschen, die vielleicht nicht den perfekten Abschluss haben, für geflüchtete Menschen, deren Zeugnisse im Heimatland geblieben sind und die gerade erst die Sprache lernen. Oder für Langzeitarbeitslose, die begleitend ein Coaching erhalten. Und noch mehr Einflussmöglichkeiten haben Sie als Landesregierung: Bei über 8000 unbesetzten Lehrstellen darf die Ausbildung eines Flüchtlings nicht länger an einer unsicheren Bleibeperspektive scheitern. Setzen Sie sich im Bund dafür ein, dass Asylsuchende und Geduldete endlich eine Aufenthaltserlaubnis für die Ausbildung und die anschließende Beschäftigung erhalten! Und – ganz wichtig - hören Sie auf, in den Arbeitsmarkt integrierte Menschen nach Afghanistan abzuschieben! Das ist völlig kontraproduktiv.

Wir begrüßen trotzdem, dass Sie mit dem vorliegenden Entschließungsantrag vorhaben, Chancen für Menschen aktiv zu gestalten und die Rückwanderung nach Brandenburg – insbesondere in periphere Regionen – nachhaltig zu fördern.

Wir stimmen dem Antrag deshalb zu.