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Ursula Nonnemacher spricht zum Antrag der CDU-Fraktion „Verteidigung der Sicherheit und Freiheit - Maßnahmen gegen Islamismus und Terrorismus verstärken!“

- Es gilt das gesprochene Wort!

Anrede!

Nur wer mit seiner Freiheit bezahlt, bekommt maximale Sicherheit –um den hohen Preis eines stark eingeschränkten Lebens mit ständiger Bewachung. 100-prozentig sicher ist allerdings nur, dass es keine 100-prozentige Sicherheit gibt. Denn islamistische Terroristen sind unberechenbar. Sie sind so gefährlich, weil sie möglichst viele Menschen umbringen wollen, ihre Opfer beliebig auswählen und ihr eigenes Leben nicht achten. Jede Menschenmenge kann zum Anschlagsziel werden.

Wir stehen folglich seit Jahren vor einer sicherheitspolitischen Herausforderung, wie es sie nie zuvor gab. Es gilt sorgsam und stetig zu analysieren, wie unsere Polizei einen noch höheren Wirkungsgrad erzielen kann.

Aktuell gilt es zunächst einmal herauszufinden, was im Vorfeld des Berliner Anschlags Weise schiefgelaufen ist. In einer Chronologie des Behördenhandelns konnten wir nachlesen, dass der Attentäter seit Dezember 2015 Waffenkäufe angekündigt hatte. Der Vorsitzende des Parlamentarischen Kontrollgremiums im Bundestag kommt zu dem Ergebnis, dass man ihn im vergangenen Herbst in Abschiebehaft hätte nehmen können. Antworten auf viele Ungereimtheiten liegen aber noch nicht vor. Schon alleine deshalb haben wir heute keine ausreichende Entscheidungsgrundlage für das Maßnahmenpaket, das die CDU hier beantragt hat. Falls es Ermittlungsdefizite gab, sollten Prozesse optimiert werden, wenn Gesetzeslücken daran Schuld waren, dass so viele Menschen getötet und verletzt wurden, dann müssen wir sie identifizieren und gezielt schließen.

Über den Preis, den wir für mehr Sicherheit zahlen sollten, können wir reden. Bezüglich einiger Ihrer Forderungen ist es allerdings nur klar, dass sie ein weiteres Stück unserer Freiheit kosten – aber völlig unklar, ob und gegebenenfalls wie viel mehr Sicherheit sie bringen würden. So wird sich ein islamistischer Selbstmordattentäter von Videokameras nicht abschrecken lassen – im Gegenteil: Er nutzt sie womöglich noch, um seinen Anschlag medial zu inszenieren.

Außerdem wollen Sie die Schleierfahndung ausweiten, also die verdachtsunabhängige Kontrolle, die bisher zur Bekämpfung der grenzüberschreitenden Kriminalität erlaubt ist. Mir ist schleierhaft, wie die Schleierfahndung zur Terrorismusbekämpfung beitragen soll. Wenn Schleierfahnder nach islamistischen Terroristen suchen würden, wäre das wahrscheinlich mit „Racial Profiling“ in großem Stile verbunden. Denn es würden vermutlich vor allem arabischstämmig aussehende Personen willkürlich kontrolliert. Wie soll die Polizei auf diese Weise einen terrorbereiten Islamisten deutscher Herkunft finden? Die Schleierfahndung erscheint mir unter Terrorismus-Aspekten wie die Suche nach einer Stecknadel im Heuhaufen.

Zudem fordern Sie elektronische Fußfesseln für so genannte „Gefährder“, obwohl sich im Juli 2016 ein islamistischer Attentäter samt seiner Fußfessel an der Ermordung eines Priesters in Frankreich beteiligt hat. Der Begriff des „Gefährders“ klingt zwar gefährlich, er hat aber keine strafrechtliche Dimension und offensichtlich keine einheitlichen Kriterien. Er basiert lediglich auf einer polizeiinternen Einschätzung. Freiheitsberaubende Maßnahmen wie elektronische Fußfesseln werden bisher jedoch aus gutem Grunde erst auf gerichtliche Weisung hin gegen schwere Gewalt- und Sexualstraftäter angeordnet – nicht aber gegen Personen, die nicht einmal die Kriterien eines Tatverdächtigen erfüllen.

Auch von einer Zentralisierung der Verfassungsschutzbehörden auf Bundesebene halte ich nichts. Wir könnten dann die nachrichtendienstlichen Aktivitäten in Brandenburg noch schlechter kontrollieren als bisher und uns nicht einmal mehr darüber informieren. Wie intransparent das Bundesamt für Verfassungsschutz arbeitet, erleben wir im NSU-Untersuchungsausschuss.

Wir Grüne sind erforderlichenfalls durchaus bereit, punktuell Freiheit für Sicherheit zu opfern – aber nur, wenn der Sicherheitsgewinn nachweisbar ist und keine rechtsstaatlichen Grundsätze verletzt werden. Ein hektischer Überbietungswettbewerb ist Ausdruck der Hilflosigkeit und bringt uns nicht mehr Sicherheit. Er schränkt nur eines der wertvollsten Dinge in unserer Demokratie ein: unsere bürgerlichen Freiheitsrechte. Für uns Grüne muss Gefahrenabwehr zielgerichtet, entschlossen, effektiv und vor allem rechtstaatlich sein.