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Marie Luise von Halem spricht zum Antrag der CDU-Fraktion „Einführung: 'Klasse: Kunst für Brandenburg'“

- Es gilt das gesprochene Wort!

[Anrede]

Um es vorweg zu sagen: Wir stimmen dem Antrag der CDU zu. Nicht deshalb, weil wir die Einführung einer solchen „Klasse: Kunst für Brandenburg“ für unentbehrlich hielten, sondern weil jeder noch so kleine Baustein für mehr kulturelle Bildung natürlich ein Gewinn ist.

Die CDU schreibt es selbst: 5.000 Kinder profitieren von der „Klasse: Musik“. Das ist einer von 46 Schülerinnen und Schülern. Kommt jetzt auch eine ähnlich ausgestattete „Klasse: Kunst“ – und danach sieht es ja aus -, dann können zwei von 46 an einem solchen Programm teilnehmen. Daran, welch ein Dürreland wir in Sachen kulturelle Bildung sind, ändert auch ein solches Programm wenig.

Ich habe in diesem Zusammenhang schon mehrfach das Bild von den Blumen in der Wüste verwendet: Auch der trockene Sand kann zum bunten Blütenmeer werden, wenn nur ein bisschen Regen fällt. Die Samen sind da: Wir haben eine Projektförderung für kulturelle Bildung, wir haben ein Musik- und Kunstschulgesetz, außerschulische Jugendbildung. Vor allem haben wir (auch Dank der Mercator-Stiftung, aber nur noch dieses Jahr finanziert!) mit der Plattform kulturelle Bildung und ihren drei Regionalbüros ein insgesamt professionelles Netzwerk von wunderbaren und hoch engagierten Künstlern, Vermittlern und Organisatorinnen für kulturelle Bildung.

Nur: Der Regen fällt tröpfchenweise. Hier ein kleines Projekt und dort ein bisschen externe Förderung.

In Beantwortung unserer Großen Anfrage letztes Jahr hat die Landesregierung den Anspruch formuliert (Frage 2), „ ... qualitativ hochwertige Kultur- und Bildungsangebote auch in dünn besiedelten Regionen zu gewährleisten.“ Kulturelle Bildung sei „eine geeignete Methode, alle Alters- und Interessengruppen zu erreichen, ihnen Teilhabe und Partizipation an gesellschaftlichem Leben zu ermöglichen ...“.

In der Realität sind wir davon leider weit entfernt.

Ob eine Schule kulturelle Bildung anbietet, ist leider viel zu oft dem Zufall überlassen. Es muss schon jemand geben, die oder der das wirklich will: Engagierte Lehrkräfte, Eltern, oder auch Künstler*innen, die auf die Schule zugehen. Jemand muss Gelder auftreiben, die anderen Lehrkräfte überzeugen, Freiraum bei der Abarbeitung der Lehrpläne schaffen und damit umgehen, dass der Hausmeister am Wochenende frei hat. Dass das Alles zu bewerkstelligen ist, macht z.B. die Potsdamer Montessori-Schule (wohlgemerkt: eine staatliche Schule!) erfolgreich vor: Seit 10 Jahren stellt sie alle Neuntklässler*innen für 4 Wochen frei, um gemeinsam mit Schauspieler*innen ein Theaterstück zu entwickeln und zu inszenieren.

Bei der Kooperation zwischen Schule und Kunst treffen Welten zusammen – wie man sich gut vorstellen kann. Das ist aufwändig, steht der Umsetzung oft im Weg, und macht doch letztlich den Sinn dieser Projekte aus: Sich eine neue Welt erschließen zu können, sich in einer neuen Welt ausprobieren zu dürfen.

Um endlich zu einer flächendeckenden kulturellen Bildungsarbeit zu kommen, brauchen wir sehr viel mehr als ein Projekt „Klasse: Kunst“. Wir bräuchten gut ausgestattete lokale Bildungslandschaften, in denen Kunst und Kultur mit Schule und Jugendarbeit stabil vernetzt sind. In denen eine regionale Künstlerin vielleicht ihr Atelier in der Schule aufgeschlagen hat, der Schriftsteller im Jugendclub liest, das freie Theater pädagogische Angebote für Jugendliche hat und die regionale Kunstschule in alle künstlerischen Sparten schnuppern lässt.

Und trotzdem: Von dem selbst von der Landesregierung formulierten Anspruch, sozialer Benachteiligung mit Kultur zu entgegnen und dabei alle Alters- und Interessengruppen zu erreichen, sind wir leider weit entfernt.

Kulturelle Bildung bleibt in Brandenburg weiterhin ein Glückstreffer für Zufallskinder, große oder kleine, nur wenige bunte Blumen im trockenen märkischen Sand.