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Heide Schinowsky spricht zum Konzept der Landesregierung „Gründnungs- und Unternehmensnachfolgestrategie für das Land Brandenburg“

- Es gilt das gesprochene Wort!

Anrede

Lange angekündigt – mehrfach verschoben. Jetzt legt Minister Gerber eine – wie er es nennt – „Strategie“ zur Gründungs- und Unternehmensnachfolge vor.

Was ist das Wesen einer Strategie? Sie beinhaltet konkrete Ziele, ausformulierte Maßnahmen und einen Zeitplan. Als Blaupause hierfür bietet sich zum Beispiel ein Blick in die Energiestrategie 2030 der Landesregierung an: Darin sind Zielzahlen für den Ausbau erneuerbarer Energien benannt und zeitlich eingetaktete Maßnahmen zur Zielerreichung formuliert.

Nichts dergleichen findet sich jedoch in dem uns vorliegenden Papier. Hierin heißt es vielmehr nahezu ausschließlich: Die Landesregierung wird prüfen, sie empfiehlt, sie bestärkt und setzt fort – mehr nicht. Wohlwollend formuliert könnte man hierbei von einem „Vorbericht“ für eine Strategie sprechen mit grob skizzierten Ideen, was man alles tun könnte. Dabei unbeachtet bleiben übrigens unerklärlicherweise eine Reihe einschlägiger Projekte und Initiativen, die es in Brandenburg in diesem Bereich schon gab bzw. gibt.

Ein Beispiel. In Sachen Unternehmensnachfolge heißt es da:

„Sie – also die Landesregierung – legt großen Wert darauf, dass die Brandenburger Hochschulen ihre Studierenden über Summer School Angebote anderer Hochschulen zum Thema Unternehmertum besser informieren und ihnen den Zugang zu diesen Angeboten ermöglichen. Gleichzeitig sollten vergleichbare Angebote an Brandenburger Hochschulen weiter genutzt und ausgebaut werden.“

Das ist vielleicht eine Ideensammlung, aber eine Strategie ist das nicht. Auf diese Diskrepanz angesprochen erklärte Minister Gerber im Wirtschaftsausschuss übrigens, dass der Begriff „Strategie“ ja so im Koalitionsvertrag stehe und er ihn deshalb benutzen müsse. Na dann legen Sie doch aber bitte auch eine Strategie vor!

Dass bei uns in Brandenburg in Sachen Gründungen und Unternehmensnachfolge Handlungsbedarf besteht, ist bekannt. In Deutschland starten jährlich über 300.000 Gründerinnen und Gründer in die unternehmerische Selbständigkeit. Startups, junge Unternehmen sowie Existenzgründungen in den Freien Berufen haben für die Volkswirtschaft eine große Bedeutung: Sie schaffen nicht nur neue Arbeitsplätze, sondern fördern auch die Wettbewerbs- und Innovationsfähigkeit. Brandenburg liegt hier bundesweit zusammen mit Mecklenburg-Vorpommern auf dem drittletzten Platz. Und daran hat sich seit vielen Jahren wenig geändert. Daher war es richtig und sinnvoll, das Thema endlich weiter oben auf die politische Agenda unseres Landes zu setzen.

Aber warum werden bisherige Projekte in diesem Bereich nicht evaluiert und auf ihre Fortsetzungstauglichkeit hin gecheckt? Wir fangen beim Thema Gründung in Brandenburg doch nicht bei Null an – ganz im Gegenteil!

Im Bereich der Förderung von innovativen Gründungen hat Brandenburg seit über 15 Jahren Erfahrungen in diversen Projekten sammeln können. Das Brandenburgische Institut für Existenzgründung und Mittelstandsförderung ist genau für diesen Zweck gegründet worden. Alle Hochschulen des Landes wurden Mitglied, um das Thema Existenzgründung in Forschung, Lehre und Praxis zu fördern. Furios gestartet – indem Brandenburger Hochschulen sehr erfolgreich Bundesmittel aus der Bundesrichtlinie für Gründungen aus der Wissenschaft einwerben konnten – hört und sieht man inzwischen nicht mehr viel davon.

Die dort gewonnenen Erkenntnisse, die aufgebauten Strukturen und das ausgebildete Personal wirken inzwischen meist woanders. Anstatt auf Projekten wie dem GO:INkubator in Golm, dem Technologiescouting an der Uni Potsdam oder der – zusammen mit den Instituten der außeruniversitären Forschung aufgebauten Entrepreneurship Akademie – aufzubauen, wurden diese nach Auslaufen der Bundesmittel zurückgefahren oder sogar ganz aufgegeben. Von einem zielgerichteten systematischen Vorgehen und einer Entwicklung war weit und breit nichts zu erkennen.

Wir alle hatten daher große Erwartungen an das jetzt vorgelegte Papier. Aber leider heißt es auch im Bereich der innovativen Gründungen nur: Die Landesregierung wird prüfen, sie empfiehlt, sie bestärkt und setzt fort. Einige kleine neue Ideen werden zwar formuliert, eine Strategie zur Entwicklung vom Guten hin zum Besseren ist jedoch nicht erkennbar.

Die Gründungsberatungen und Transferstellen in den Hochschulen arbeiten zwar schon erfolgreich, aber beim Transfer der Projekte in den Markt fehlt es nach wie vor an entsprechender Infrastruktur. Professionelle Beratung, Gründungskapital oder geeignete Geschäftsräume sind in Brandenburg nach wie vor Mangelware. Die meist über Drittmittel finanzierten Mitarbeiter werden nur befristet eingestellt und müssen sich von Projekt zu Projekt hangeln. Auch im immer wichtiger werdenden Bereich der Social Entrepreneurship, oder der Solidarischen Ökonomie konnte man sich in dem Papier nur dazu durchringen, eine weitere wissenschaftliche Studie in Auftrag zu geben. Erfolgreiche Brandenburger Projekte, wie der „Dorfkümmerer“ wurden hingegen wieder eingestellt.

Was zudem komplett fehlt, ist der Bereich Landwirtschaft. Wieso haben Sie eigentlich nicht an den ländlichen Raum gedacht Herr Gerber? Junglandwirtinnen und Junglandwirte brauchen dringend eine Gründungsförderung. Auch in diesem Bereich ist es in den letzten Jahren deutlich schwerer geworden, sich selbständig zu machen. In anderen Bundesländern hervorragend funktionierende Konzepte wie die Regionalwert AG sucht man hierzulande leider vergebens.

In Ihrem Papier, Herr Gerber, heißt es, Zitat: „Herausgehobenes Interesse der Landesregierung ist es, die Anzahl der wissens- und technologieintensiven Gründungen aus den Wissenschaftseinrichtungen im Land Brandenburg zu erhöhen und diese innovativen Gründerinnen und Gründer auch im Land zu halten.“

Nach Lektüre dieses Dokuments lässt sich aber klar sagen: So werden Sie das nicht erreichen können. Offenbar wird der ganze Bereich der Existenzgründungen von der Landesregierung nur so lange hoch gehalten, wie es dafür Fördermittel vom Bund oder der EU gibt. Sobald es aber daran geht, die dort entwickelten Ergebnisse mit eigenen Mitteln im ganzen Land umzusetzen, fest zu etablieren und den Erfolg somit in die Fläche zu tragen, passiert nichts mehr.

Bleibt zu hoffen, dass Ihre Strategie in Sachen Strukturwandelgestaltung in der Lausitz nicht genauso unkonkret ist, sondern unterfüttert mit Maßnahmen und Zeitplan.