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Benjamin Raschke spricht zu unserem Antrag „Menschen, Bienen und Gewässer schützen – ein Pestizidausstiegsprogramm für Brandenburg“

>> Unser Antrag: Menschen, Bienen und Gewässer schützen – ein Pestizidausstiegsprogramm für Brandenburg (pdf-Datei)

Frau Präsidentin! Sehr geehrte Gäste! Liebe Kolleginnen und Kollegen!

Vielen Dank!

(Der Abgeordnete Raschke steht schweigend am Rednerpult.)

Ja, es ist still geworden. Und diese Stille sollte uns Sorgen machen - diese Stille in der Agrarlandschaft,

(Frau Schade [AfD]: Da summen und brummen die Windräder!)

das Tausendfache Fehlen von Flügelschlägen,

(Frau Schade [AfD]: Das wird ersetzt durch das Flügelschlagen der Windräder!)

das Fehlen der Flügelschläge von Fledermäusen, von Vögeln, von Schmetterlingen.

(Frau Schade [AfD]: Die werden von den Windrädern zerschreddert!)

Ich haben Ihnen zur Illustration einmal ein paar mitgebracht:

(Der Abgeordnete zeigt Bilder.)

den Schwalbenschwanz oder das Rebhuhn, Braunkehlchen und - in der Nahrungskette weiter oben - den Feldhasen. All diese Tiere verschwinden. Dieses Summen und Brummen, das eigentlich dazugehört, fehlt.

(Frau Schade [AfD]: Haben wir doch, das Summen und Brummen!)

Wenn man in Brandenburg durch die Landschaft fährt - sagen wir mal, Kollege Wichmann fährt von Lychen bis nach Elbe-Elster zur Enquetekommission -‚ muss heutzutage hinterher seine Windschutzscheibe nicht mehr von Insekten befreien.

(Oh doch! bei der SPD)

Wenn Sie heute an der Kaffeetafel sitzen, dann haben Sie deutlich weniger Besuch von unliebsamen Gästen als noch vor zehn Jahren.

Aber es sind nicht nur diese Alltagserfahrungen. Wir haben es jetzt auch amtlich: Das Bundesamt für Naturschutz hat letzte Woche Alarm geschlagen: Nahezu jede Tier-und Pflanzenart ist vom Verschwinden bedroht. Und nicht nur die Anzahl der Arten wird immer geringer, sondern auch innerhalb der Arten gibt es immer weniger Exemplare.

(Frau Schade [AfD]: Genau, wegen Energiepflanzen - Raps. Mais, Monokulturen!)

Wenn Sie früher eine Bienen- oder Insektenfalle aufgestellt haben, war in kurzer Zeit über ein Kilo Insekten darin. Inzwischen reden wir über Hunderte von Gramm. Woran liegt das? Das Bundesamt für Naturschutz sagt: Die bisherige Agrarpolitik hat versagt, die EU, der Bund und die Länder.

(Frau Schade [AfD]: Richtig!)

Genau das ist die Ursache für die Stille, das ist die Ursache für das Verschwinden

( der Arten. Die Brandenburger Kombination nach 25 Jahren SPD aus riesigen Mono-kulturen und flächendeckendem Pestizideinsatz

(Frau Schade [AfD]: Energiepflanzen!)

- ja, Energiepflanzen - ist der Hauptgrund für das Verschwinden der Arten. Nehmen wir einmal Mais: Mais hat in den letzten Jahren 19 % der Agrarlandschaft ausgemacht, also fast ein Fünftel der landwirtschaftlichen Fläche. Nehmen wir noch Raps dazu, das haben Sie riesige Felder, die lassen sich nur mit massivem Pestizideinsatz auf-rechterhalten.

Bei Getreide wird das Feld vor der Bestellung oft schön sauber gespritzt, und kurz vor der Ernte gibt es noch einmal einen Schub – Sikkation heißt das Ganze -‚ um das Getreide reif zu spritzen.

Oder Obstbau: Kollege Gliese von der CDU und ich warten immer noch auf die Obstbaukonzeption. Wir haben viel zu wenig Obstbau im Land. Aber da, wo wir Obstbau haben, wird er mit massivem Pestizideinsatz betrieben. Der durchschnittliche Apfel, den Sie im Supermarkt kaufen können, wird im Laufe Seines Lebens 21 Mal gespritzt. Das hat natürlich Folgen. Inzwischen sind diese Pestizide überall, nicht nur dort, wo sie eigentlich hingehören sollten. Wir haben uns viel zu lange der Illusion hingegeben, wir hätten das im Griff, wir würden das mit präziseren Spritzmethoden oder besseren Kontrollen schon hinbekommen. Aber nein, liebe Kolleginnen und Kollegen, die Fakten sprechen eine andere Sprache:

2014 standen die Biobauern hier auf der Matte, das Stichwort war Fernabdrift. Sie erklärten, sie könnten ihre Produkte nicht mehr als Babynahrung verkaufen, sie würden nicht mehr abgenommen, weil von den konventionellen Bauern über Kilometer die Pestizide hereingeweht würden. Das ging in der Theorie gar nicht, das haben die Pestizide plötzlich gelernt.

2015 standen die Uckermärker hier auf der Matte. Da wurden in den Söllen, diesen kleinen Tümpeln in den Feldern, plötzlich in rauen Mengen Pestizide gefunden, die da nichts zu suchen hatten.

2016 standen wir, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, hier auf der Matte, weil der Agrarminister zugeben musste: Ja, wir haben viele Grundwasserproben und viele Oberflächengewässerproben, die pestizidbelastet sind, unter anderem aus der Havel. Im Urin von Menschen, auch von sechs grünen Abgeordneten, wurde Glyphosat gefunden, bei der Mehrzahl der Brandenburgerinnen und Brandenburger und der deutschen Bevölkerung.

Pestizide sind inzwischen überall. Auch in Futtermitteln und Getreide - wir haben eine Kleine Anfrage dazu gestellt - findet man Rückstände von Pestiziden. Überall finden wir inzwischen Pestizide, chemische Pflanzenschutzmittel. Das heißt, Pflanzen, Tiere, Bienen, Insekten und auch wir sind in chronischem Kontakt mit Pestiziden.

Das Jahr 2017 begann dann mit einer bestürzenden Nachricht - Sie haben es viel-leicht nach im Ohr -: 40 % der Bienenvölker sind über den Winter gestorben. Die Brandenburger Kombination aus riesigen Monokulturen, wo die Bienen nichts zu fressen finden, und flächendeckendem Pestizideinsatz hat sie so geschwächt, dass sie der Varroamilbe kaum nach was entgegenzusetzen hatten. Da standen dann die Imker hier auf der Matte und haben dem Minister Druck gemacht, einen runden Tisch einzurichten, damit sich die Imker mit den Bauern zusammensetzen, und wenigstens ein Notfallpragramm aufzulegen, um die schlimmsten Folgen zu beherrschen.

Kurz: Pestizide sind inzwischen überall und es ist still geworden. Und, verdammt nach Mal, liebe Kolleginnen und Kollegen der SPD, das können Sie doch nicht wollen! Nach der Wende ist Brandenburg als Oase, als Rückzugsort für viele bedrohte Pflanzen und Tiere angelegt worden. Matthias Platzeck war es ein großes Anliegen, dass wir eine Art Arche für viele der bedrohten Tier- und Pflanzenarten werden. Heutzutage ist es so, dass viele der bedrohten Tier- und Pflanzenarten nach Berlin flüchten, weil sie dort unter Rot-Rot-Grün Zuflucht finden.

(Lachen bei der SPD)

So kann das nicht weitergehen! So muss das auch nicht weitergehen. Wir unterbreiten heute folgenden Vorschlag: Machen wir es wie so exotische Länder wie Dänemark oder Frankreich: steigen wir aus!

(Frau Schade [AfD]: Aus der Energiewende!)

Reduzierung der Pestizide um 50 % bis 2023 ist unser Vorschlag. Das ist eine große Aufgabe, die unsere Landwirtschaft nicht mal so eben nebenbei schaffen kann; denn 25 Jahre SPD-Politik haben sie in eine andere Richtung gedrängt. Aber wir unterbreiten fünf Vorschläge, ich will die wichtigsten drei Eckpunkte nennen, wie das gehen könnte.

Der wichtigste Eckpunkt ist Beratung. Sind Sie heute Landwirtin oder Landwirt und gehen zum Pflanzenschutzdienst, um sich beraten zu lassen, erfahren Sie viel über das Pestizid, wann Sie es eigentlich einsetzen müssten, wann Sie es nicht dürfen, in welchen Mengen. Was Sie aber nicht in erster Linie erfahren, ist, was Sie stattdessen machen könnten. Unsere Landwirtinnen und Landwirte müssen in Zukunft als erstes darüber beraten werden, was sie stattdessen machen können, welche alternativen Techniken, welche alten Techniken es gibt, was es im Ökolandbau gibt oder was vielleicht auch mit Robotertechnik geht. Das ist übrigens mal ein schönes Thema für den Ausschuss.

Zweitens: Wir müssen unsere Landwirtinnen und Landwirte finanziell unterstützen. Wir können einige unserer Förderprogramme in die Richtung drängen. Wir könnten aber auch und vor allem die Umstellungsprämie erhöhen. Sind Sie heute Landwirtin oder Landwirt und wollen auf Öko umstellen, dann bekommen Sie in NRW pro Jahr pro Hektar 520 Euro zusätzlich, in Brandenburg sind es gerade mal 210 Euro pro Hektar am Ende der Kette. Das heißt, da haben wir noch viel Luft nach oben, um da-zu beizutragen, dass der Anteil des Ökolandbaus in Brandenburg steigt.

Dritter Vorschlag: Gehen wir doch mit guten Beispiel voran! Wenn man die Preußen-flächen und die Flächen des Bodenreformvermögens zusammennimmt, haben wir vielleicht noch rund 30 000 Hektar landeseigene Fläche, die bewirtschaftet wird. Kollege Büchel hat es heute Morgen in der mündlichen Anfrage herausgearbeitet, viele der Pachtverträge laufen in diesem Herbst aus. Das heißt, jetzt könnten wir die Pachtverträge so neu gestalten, dass eben nicht mehr Pestizide auf landeseigenen Flächen eingesetzt werden.

Ich sehe Skepsis, insbesondere bei den Kolleginnen und Kollegen der SPD. Ich denke mal, das kann einzig und allein an der Jahreszahl liegen. Klar, 2023 ist ziemlich ambitioniert. Es kann aber sicherlich nicht am Grundsatz liegen; denn der Chef aller Umweltminister Deutschlands - Jörg Vogelsänger ist gerade Vorsitzender der Umweltministerkonferenz - hatte im Mai zur Umweltministerkonferenz nach Bad Saarow eingeladen und dort wurde beschlossen: Reduktion der Pestizide um 50 %‚ offen geblieben ist bloß die Jahreszahl.

(Beifall B90/GRÜNE und der Abgeordneten Bader [DIE LINKE])

Wenn Sie also über die Jahreszahl diskutieren möchten, sind wir dazu gerne bereit.

Wir bitten um Überweisung in den Ausschuss und freuen uns jetzt sehr auf Ihre Beiträge. - Vielen Dank.

(Beifall B90/GRÜNE)

Präsidentin Stark:

Vielen Dank. - Bevor der Abgeordnete Folgart ans Rednerpult tritt, begrüße ich Schülerinnen und Schüler, die in diesem Jahr am Projekt „dialogP" teilgenommen haben. Herzlich willkommen hier bei uns im Plenarsaal! Schön, dass Sie da sind.

(Allgemeiner Beifall)

Wir setzen die Aussprache fort. Zu uns spricht der Abgeordnete Folgart für die SPD-Fraktion.

Unser Antrag wurde abgelehnt und nicht einmal in den Ausschuss überwiesen.