Zum Inhalt springen

Ursula Nonnemacher spricht zum Gesetzentwurf der AfD-Fraktion „Gesetz zur Änderung der Unterschriftenzahl bei Volksbegehren“

- Es gilt das gesprochene Wort!

Anrede!

Wir Bündnisgrünen setzen uns seit jeher für die Stärkung der direkten Demokratie als sinnvolle und notwendige Ergänzung der parlamentarischen Demokratie ein.

Die vielen Volksinitiativen - mittlerweile sind es 42 - im Land zeigen, dass die Bürgerinnen und Bürger großes Interesse daran haben, sich für ihre Belange einzusetzen. Bei Stufe 2, dem Volksbegehren, verläuft das Engagement jedoch fast regelmäßig im Sande. Lediglich 4 von 42 abgeschlossenen Volksinitiativen oder Volksbegehren wurden vom Landtag ganz oder teilweise übernommen. Wobei man sich trefflich streiten kann, ob die Annahme des Volksbegehrens gegen ein Nachtflugverbot am BER als Erfolg zu werten ist, wenn bisher nichts geschehen ist. Auch wird es erst die Zukunft erweisen, ob der Kompromiss beim Volksbegehren gegen Massentierhaltung Fortschritte im Sinne der Initiatoren erbracht hat. Die Arbeit der/der Tierschutzbeauftragten und die Erstellung des Tierschutzplanes werden wir kritisch begleiten. Ein Volksentscheid im Rahmen der Volksgesetzgebung kam in Brandenburg noch nie zustande.

Kein Wunder, dass Brandenburg beim Volksentscheidranking 2016 des Vereins Mehr Demokratie den bundesweit vorletzten Platz belegt.

Die AfD Fraktion hat nun einen Gesetzentwurf eingebracht, mit dem sie die Landesverfassung ändern will. Sie möchte die Anzahl der für ein Volksbegehren erforderlichen Unterschriften von derzeit 80.000 auf 40.000 reduzieren.

Ja – es gibt viele Baustellen bei der direkten Demokratie –das Unterschriftenquorum bei Volksbegehren gehört aber mit Sicherheit nicht dazu. Ganz im Gegenteil. Im Länder-Ranking handelt es sich bei den erforderlichen knapp vier Prozent der Abstimmungsberechtigten um ein vergleichsweise sehr niedriges Quorum. So beträgt das Beteiligungsquorum bei Volksbegehren in Hessen und NRW 20 Prozent, in Sachsen ca. 12 Prozent und in Bayern 10 Prozent. Freilich muss man hier auch das Zusammenspiel der verschiedenen Ebenen betrachten. So kennen Hessen, Bayern, NRW und Sachsen aufgrund des hohen Beteiligungsquorums auf der Ebene des Volksbegehrens kein Quorum auf der Ebene des Volksentscheids – anders als Brandenburg (hier sind es 25 Prozent). In Berlin liegt das Unterschriftenquorum bei freier Sammlung bei 7%, ebenfalls in Verbindung mit einem Zustimmungsquorum von 25% beim Volksentscheid. Es kommt also sehr entscheidend auf die Abstimmung der Stellschrauben auf den verschiedenen Ebenen der Volksgesetzgebung an. Aber gerade diese Betrachtung der verschiedenen Ebenen vermisse ich im Gesetzentwurf der AfD völlig. Kann ich aus verfassungsrechtlicher Sicht das Beteiligungsquorum für Volksbegehren pauschal auf 2 Prozent absenken ohne eine Veränderung auf einer anderen Ebene vorzunehmen?

Abgesehen von diesen verfassungsrechtlichen Zweifeln, sind wir der Meinung, dass das Verbot der freien Unterschriftensammlung die entscheidende Hürde für erfolgreiche Volksbegehren ist. Wir werden uns weiterhin für die freie Unterschriftensammlung einsetzen, den unausgereiften Vorstoß der AfD lehnen wir ab.

Der Entschließungsantrag der CDU-Fraktion hat mich schon sehr überrascht. Sie postulieren hier die digitale Demokratie, schreien aber auf, wenn die Kreisverwaltung nicht fußläufig zu erreichen ist. Sie fordern hier unter anderem die Möglichkeit, Eintragungen bei Volksbegehren am Computer vorzunehmen. Für die Volksinitiative soll eine solche Möglichkeit geprüft werden. Einen ähnlichen Prüfauftrag enthält auch das schleswig-holsteinische Volksabstimmungsgesetz, allerdings lediglich auf der Ebene der Volksinitiative.

Auch wenn man über diesen Vorstoß nachdenken kann, bleiben viele Fragen offen: Wie können Datensicherheits- und Datenschutzstandards erfüllt werden? Wie Missbrauch ausgeschlossen werden? Brauche ich womöglich eine elektronische Signatur? Müssten dann nicht auch Wahlen per Computer möglich sein? Auch der Vergleich mit der Schweiz, wo ganz andere Datenschutzbestimmungen gelten, hinkt. Wir tun gut daran, endlich die freie Unterschriftensammlung im Land einzuführen. Zum Entschließungsantrag der CDU werden wir uns enthalten.