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Ursula Nonnemacher spricht zum Antrag der CDU „Zustimmung im Bundesrat - Algerien, Marokko und Tunesien zu sicheren Herkunftsstaaten erklären“

- Es gilt das gesprochene Wort!

Anrede!

Zum wiederholten Mal beantragt die CDU, die Landesregierung möge im Bundesrat der Einstufung von Algerien, Marokko und Tunesien als sichere Herkunftsstaaten zustimmen.

Die von der CDU erneut angestoßene Debatte um sichere Herkunftsländer sorgt dafür, dass in der Öffentlichkeit der Eindruck entsteht, Hauptproblem sei der Zuzug von Flüchtlingen aus sogenannten sicheren Herkunftsländern, denen dann von der AfD, Pegida und Co. der massenhafte Asylmissbrauch unterstellt wird.

Tatsächlich betrug der Anteil an Asylsuchenden aus den drei Maghreb-Staaten im Jahr 2015 deutschlandweit 1,1 Prozent bezogen auf die Gesamtzahl der Asylantragsteller. Das Land Brandenburg war bisher für die Bearbeitung von Asylanträgen aus diesen Staaten überhaupt nicht zuständig. Diese erneute Debatte ist ein falsches Signal, das letztlich vor allem zur Stigmatisierung von Flüchtlingen beiträgt.

Erst im Oktober 2015 hat der Bundesgesetzgeber nunmehr sechs Westbalkanstaaten als sicher erklärt, Ghana und Senegal sind es schon seit Längerem, jetzt sollen Tunesien, Algerien und Marokko noch dazu kommen. Ich frage mich, welches Land ist als nächstes dran? Plant die CDU im Sinne einer Domino-Theorie die ganze Welt als sicher einzustufen, um so das individuelle Grundrecht auf Asyl auszuhebeln? Schon heute fragen engagierte Helferinnen und Helfer mit Besorgnis: Ist Afghanistan jetzt eigentlich ein sicheres Herkunftsland? Diese Frage ist schockierend, denn lässt man Dublinverfahren und andere Verfahrenserledigungen außer Betracht, lag die Schutzquote von afghanischen Flüchtlingen im Jahr 2015 bei mehr als 75 Prozent. Die Frage verwundert aber nicht: Im Februar 2016 erlebten wir die „Abschiebeshow“ des Bundesinnenministers de Maizière- wie der Spiegel titelt. Er wollte sein hartes Durchgreifen unter Beweis stellen und noch im Februar einen Abschiebeflug nach Afghanistan organisieren. Prompt sank die von mir eben erwähnte Schutzquote im Mai 2016 für Menschen aus Afghanistan auf 56 Prozent. Wie aussagekräftig ist eine Schutzquote, mit der auch die CDU in ihrem Antrag zu den Maghreb-Staaten argumentiert, dann eigentlich noch? Oder dient die heutige Debatte vielleicht dazu, sie erneut zu senken? Der Effekt des Rufs nach „sicheren Herkunftsländern“ ist jedenfalls nicht von der Hand zu weisen.

Abgesehen von den Auswirkungen, die die von der CDU erwirkte Debatte hat, lehnen wir den Antrag aus inhaltlichen Gründen ab.

Das Konzept der scheinbar sicheren Herkunftsstaaten ist weder ein geeignetes Instrument, um Zuwanderung aus den Maghreb-Staaten zu regulieren, noch die Rückführung der abgelehnten Asylbewerber zu beschleunigen. Es werden mit geringem Zeitgewinn Ablehnungen produziert, deren Betroffene deswegen jedoch nicht schneller zurückgeführt werden können. Durch die Regelvermutung, dass der Asylantrag „offensichtlich unbegründet“ ist, garantiert das Instrument überdies kein faires Verfahren und es erschwert die Durchsetzung der Schutzansprüche für die Einzelfälle von Oppositionellen, Bloggern, LGBTI und Journalisten.

Wir fordern stattdessen

  • den Abbau des Überhangs an laufenden Verfahren durch Erlass einer Altfallregelung zur Entlastung des BAMF
  • eine Beschleunigung durch Priorisierung der Verfahren und Gewährung einer unabhängigen, kostenlosen Rechtsberatung
  • Informationskampagnen in den Herkunftsländern
  • Einen Ausbau der individuellen Rückkehrbeihilfen bei freiwilliger Ausreise
  • und eine Wiederaufnahme der Verhandlungen über Rücknahmeabkommen mit
    den Herkunftsländern im Maghreb. Anreize für die Zustimmung der Herkunftsländer könnte die Gewährung bisher verweigerter Visaerleichterungen darstellen.