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Axel Vogel spricht zum Antrag unserer Fraktion „Stresstest für Braunkohle-Bergbaubetreiber – Sanierungsmittel sicherstellen“

>> Zum Antrag „Stresstest für Braunkohle-Bergbaubetreiber – Sanierungsmittel sicherstellen“ (pdf-Datei)

- Es gilt das gesprochene Wort!

Anrede,

Die Wirtschaftsredaktionen der deutschen Medien sind sich zunehmend einig: Die Endzeit der Stromgiganten und ihres nach dem Atomausstieg verbliebenen Geschäftsmodells der Kohleverstromung hat begonnen. Die FAZ prophezeite letzte Woche unter dem Titel „Die letzten Tagen von RWE“, dem größten Betreiber von Braunkohletagebauen in Deutschland sein bevorstehendes Ende. Auch in der Lausitz sind die letzten Tage der Braunkohle angebrochen. Gerade haben die Ruinen der ostdeutschen Energiepolitik in der Lausitz nur noch durch die Zugabe von 1,6 Milliarden Euro einen Käufer gefunden.

"NZZ vom 5.7.2016" Die im Eigentum der schwedischen Vattenfall befindlichen Kohlekraftwerke und Gruben verursachen CO2-Emissionen, die höher sind als Schwedens gesamter jährlicher Ausstoss. Dazu kommen Reserven, deren potenzielle Emissionen ein Vielfaches davon betragen. Für Wirtschaftsminister Mikael Damberg stehen nicht moralische und umweltbedingte, sondern finanzielle Überlegungen im Zentrum, gemäss denen ein Verkauf angemessen ist. Der Sozialdemokrat verwies auf eine externe Analyse, gemäss der ein Behalten der Braunkohle die Steuerzahler 10 Mrd. bis 15 Mrd. sKr. (1,15 Mrd. bis 1,7 Mrd. Fr.) teurer käme als eine Veräusserung des «Katastrophengeschäfts»." Angesichts dieser Perspektiven haben auch die schwedischen Grünen lieber alle Grundsätze über Bord geworfen als an der Lausitzer Braunkohle festzuhalten.

Der verkaufte Unternehmensteil ist nämlich hoch verschuldet. Es schuldet der Öffentlichkeit die Sanierung der Tagebaufelder und der Spree. Und das kostet: So hat die Sanierung der DDR-Tagebaue Bund und Ländern bislang über 100.000 € pro ha gekostet. Und diese Mittel müssen erst einmal erwirtschaftet werden.

Dass Kohleverstromung in Zukunft ein hoch spekulatives Geschäft ist, haben das schwedische Verkaufsangebot und die Tatsache, dass nur ein Käufer übrig blieb deutlich gemacht. Der zukünftig einzig sichere profitable Geschäftszweig ist das Stilllegen der Kraftwerke auf Staatskosten. Jänschwalde macht den Anfang. Von der vorgesehenen Stilllegungsprämie werden die Arbeiter jedoch keinen Cent sehen. Die Altersstruktur in dem Braunkohleunternehmen macht es dem neuen Eigentümer EPH aus Tschechien leicht, Arbeitsplätze abzubauen, ohne eine Kündigung aussprechen zu müssen.

Doch die Landesregierung bleibt gemeinsam mit der IGBCE auf dem halbtoten Pferd Braunkohle sitzen. Sie versuchen das einst profitable Rennpferd weiter zu reiten, obwohl schon seit Jahren klar ist, dass die Kraftwerke kein Geld mehr erwirtschaften können.

Wir fordern mit diesem Antrag nur ein, dass die Landesregierung prüft, ob die eigene Kraft des Gauls noch ausreicht, um die Reiter zu ernähren und die Beerdigungskosten zu erwirtschaften. Es ist tragisch: Es nützt nun auch nichts mehr die Zügel locker zu lassen. Wie wir letzte Wochen im Wirtschaftsausschuss erfahren konnten, durfte Vattenfall die Natur der Lausitz als natürliches Absetzbecken missbrauchen, weil es Vattenfall angeblich nicht mehr zuzumuten war, Absetzbecken für die braune Brühe aus dem Tagebau zu bauen. Die Kosten tragen am Ende Konsumenten und Wasserwerke, die kostenaufwändig Eisenocker Ausfällen und das sulfathaltige Wasser verschneiden dürfen, zumindest solange der Vorrat an unbelastetem Grundwasser reicht.

Es sollte eine selbstverständlich Aufgabe des Staates sein den Steuerzahler zumindest vor finanziellem Schaden durch die Folgekosten des Bergbaus zu schützen. Hierzu ist die Einforderung von Sicherheitsleistung in §56 des Bundesberggesetzes deshalb auch ausdrücklich vorgesehen.

Nicht nur im Bergbau, sondern überall in der Wirtschaft dienen Sicherheitsleistungen der Ausgestaltung eines fairen Wettbewerbs. Denn ohne Sicherheitsleistung besteht für Unternehmen ein Anreiz, zu Lasten des Steuerzahlers höhere Risiken einzugehen. Wer darauf spekuliert Umweltschäden nicht auf eigene Kosten beseitigen zu müssen oder mit dafür vorgesehenen Geldern risikoreiche Investitionen tätigt, soll keinen Wettbewerbsvorteil gegenüber Unternehmen erhalten, die die Umwelt respektieren. VW lässt grüßen.

Sicherheitsleistungen sind inzwischen nicht nur im Umweltbereich, wie bei der Genehmigung von Abfallanlagen selbstverständlich, sie sichern den fairen Wettbewerb auch bei Ausschreibungen ab. Ein aktuelles Beispiel aus der Energiebranche: Nach dem neuen Erneuerbaren Energien Gesetz 2016 müssen sich die Betreiber an einem Ausschreibungsverfahren beteiligen, um eine Förderung zu erhalten. Wer sich an dem Ausschreibungsverfahren beteiligen will, muss eine Erstsicherheit hinterlegen. Projektträger, die einen Zuschlag erhalten haben müssen eine Zweitsicherheit hinterlegen. Bar oder als Bankbürgschaft. Wird die Sicherheitsleistung nicht erbracht, verfällt der vorher erteilte Zuschlag. Diese Sicherheitsleistungen werden von jedem teilnehmenden Unternehmen verlangt, ungeachtet der Bonität der Unternehmen. Es ist ein alltäglicher, in einer Marktwirtschaft völlig selbstverständlicher Vorgang.

Und letztlich ist auch jede vom Finanzamt eingeforderte Steuervorauszahlung eine Sicherheitsleistung.

Wenn wir mit unserem Antrag nicht gleich eine konkrete Sicherheitsleistung, sondern nur einen Stresstest fordern, so ist das dem §56 Absatz 21 des Bundesberggesetzes geschuldet. Dieser lautet „Die zuständige Behörde kann die Zulassung von der Leistung einer Sicherheit abhängig machen, soweit diese erforderlich ist, um die Erfüllung der in § 55 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 bis 13 und Absatz 2 genannten Voraussetzungen zu sichern. Der Nachweis einer entsprechenden Versicherung des Unternehmers mit einem im Geltungsbereich dieses Gesetzes zum Geschäftsbetrieb zugelassenen Versicherer darf von der zuständigen Behörde als Sicherheitsleistung nur abgelehnt werden, wenn die Deckungssumme nicht angemessen ist. Über die Freigabe einer gestellten Sicherheit entscheidet die zuständige Behörde.“

Die vier Worte „soweit diese erforderlich ist“ sind dehnbar. Die Landesregierung will bisher eine Erforderlichkeit nicht erkennen. Einer Pressemeldung vom 5.7.2016 ist zu entnehmen, dass die Landesregierung prüfen lassen will, „ob die Kosten für Folgeschäden aus dem Braunkohleabbau bei der öffentlichen Hand hängenbleiben könnten“. Natürlich können sie das. Es sollte verwundern, wenn ein Gutachten der Landesregierung zu einer anderen Aussage kommen sollte, als das jüngst erschienene Gutachten des Forum Ökologisch-Soziale Marktwirtschaft e.V. (FÖS) in Zusammenarbeit mit dem Institute for Advanced Sustainability Studies e.V. (IASS). Dieses war zu dem Schluss gekommen, dass die Rückstellungen im Braunkohletagebau einer öffentlichen Transparenz-Kontrolle unterzogen werden müssen.

Wie will die Landesregierung beurteilen können, ob die Rücklagen des zukünftigen Betreibers EPH ausreichen, um die Tagebausanierung durchzuführen? Ist ein Gebrauchtwagenhändler seriös, wenn er ein dickes Bündel Euroscheine in der Hand hält? Aus unserer Sicht ist Intransparenz ein ausreichender Grund, der eine Sicherheitsleistung erforderlich macht. Jedoch ist unklar, was die Landesregierung mit dem in der Presse angekündigten Gutachten wirklich herausfinden will. Wenn die Aussage von Herrn Christoffers stimmt, dass die Landesregierung nur klären will, „ob es gesetzliche Regulierungslücken bei der Sicherheit der Rückstellungen der Braunkohleunternehmen gebe“ und daran anknüpfend erst einmal Änderungen von Bundesgesetzen einfordern will, droht daraus eine Nullnummer zu werden.

Wir fordern mit unserem Antrag nicht, eine „Regelungslücke“ zu schließen oder die Gesetze zu verschärfen, sondern sie anzuwenden!

Deshalb setzen wir an allererster Stelle die Forderung nach einem Stresstest durch unabhängige Gutachter. Dieser soll herausfinden wie das Geschäftsmodell von EPH unter den gesetzten Rahmenbedingungen Bedingungen der Energiewende und der voraussichtlichen Marktentwicklung funktionieren kann. Erst hieraus wird sich ableiten lassen wie hoch die Sicherheitsleistungen für das Worst-Case-Szenario ausfallen müssen und wie düse zu hinterlegen sind.

Es kann keinen Grund geben das international agierende Unternehmen EPH solange vor der Hinterlegung von Sicherheitsleistungen schützen zu wollen wie nicht weitergehende Bundesgesetze verabschiedet sind.

Richtig unverständlich wird die Umarmung von EPH durch die Landesregierung, wenn man einmal hinter die Kulissen von EPH schaut. Der Journalist Stephan Schröter hat dies getan und ist dabei auf ein völlig undurchsichtiges Geflecht von Firmen in Luxemburg, Zypern und den Niederlanden gestoßen. Es wäre keine Überraschung, wenn diese in Steueroasen verteilten Unternehmensteile in den nächsten Jahren gegenüber dem EPH-Bergbauunternehmen in der Lausitz Millionenbeträge für Kreditrückzahlungen, Beratungskosten oder Lizenzgebühren abrechnen würden. So könnte EPH seine Zusage, in den ersten drei Jahren keine Gewinne abzuführen, einhalten und trotzdem Geld aus dem Unternehmen abziehen.

Folgt man der Analyse der Unternehmensbilanzen der Mibrag durch Greenpeace, tun sich weitere Abgründe auf. Die Mibrag wurde 2009 bis 2012 ebenfalls von der EPH übernommen. Das in den Bilanzen ablesbare Geschäftsmodell wird vermutlich auch bei der Übernahme des Braunkohlegeschäfts von Vattenfall angewendet. Innerhalb von nur sechs Jahren hatten die Eigentümer den Kaufpreis als Gewinne aus dem Unternehmen abgezogen. Rund ein Viertel davon stammte (zumindest rechnerisch) aus einer angeblich steuerrechtlichen motivierten Reduzierung der Rücklagen für die Tagebausanierung. Greenpeace hat errechnet, dass die Mibrag aktuell nur 12,6% der vermutlichen Sanierungskosten hinterlegt hat. Bezogen auf die Fläche ist dies nur etwa ein Achtel der Summe, die bei RWE zurückgelegt ist und weniger als ein Viertel der Rücklagen von Vattenfall für diese Aufgabe. Es muss unbedingt verhindert werden, dass in Brandenburg die Rückstellungen für die Bergbausanierung nicht ausreichen.

Brandenburg braucht Investitionen in neue Arbeitsplätze in der Lausitz. Die können nicht in der Wüste entstehen, sondern nur in der Umgebung vollständig sanierter Tagebauflächen. Lassen sie nicht zu, dass das Land nach dem Ende der Braunkohle auf den Sanierungskosten sitzen bleibt und unterstützen Sie unseren Antrag!

Vielen Dank!

>> Zum Antrag „Stresstest für Braunkohle-Bergbaubetreiber – Sanierungsmittel sicherstellen“ (pdf-Datei)