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Ursula Nonnemacher spricht zum Gesetzentwurf der SPD-Fraktion und der Fraktion DIE LINKE „Zweites Gesetz zur Änderung des Brandenburgischen Ladenöffnungsgesetzes“

- Es gilt das gesprochene Wort!

Anrede!

Die Regierungsfraktionen sind jetzt also endlich dem hartnäckigen Druck der Landeshauptstadt Potsdam erlegen und haben die Zahl der verkaufsoffenen Sonntage pro Stadtgebiet auf insgesamt 10 erhöht. Potsdam hatte in den vergangenen Jahren ja schon ziemlich ungeniert mit stadtteilbezogenen Regelungen argumentiert und wollte dem Handel 2015 zehn Sonntage gewähren. Dem wurde mit dem Urteil des Oberverwaltungsgerichtes Berlin-Brandenburg vom 26.3.2015, das die Festsetzung von mehr als 6 Feiertagen durch Aufteilung des Gemeindegebietes verbot, ein Riegel vorgeschoben.

Dass bei der Interpretation des Brandenburgischen Ladenöffnungsgesetzes viel Kreativität im Spiel war, um seinen eigentlichen Zweck zu konterkarieren, nämlich den Sonntag als Tag der Arbeitsruhe zu schützen, kann nicht bestritten werden. Die Stadt Falkensee hat es mal geschafft, sechs verkaufsoffene Sonntage für jeden interessierten Geschäftsinhaber zu verfügen, was dann unter Berücksichtigung von Doppelnennungen auf 17 offene Sonntage im Stadtgebiet hinauslief. Auch diese Regelung wurde von einer Mehrheit der Stadtverordneten abgesegnet.

Jetzt bringen die Regierungskoalitionen neben den aus Anlass „besonderer Ereignisse“ gestatteten 5 Ausnahmeregelungen weitere fünf aus „Anlass regionaler Ereignisse“ ins Spiel. Damit soll der Bedeutung regionaler Ereignisse für das Gemeinwohl und den sozialen Zusammenhang besser Rechnung getragen werden. Eine solche Argumentation würde mir im Falle beispielsweise der Stadt Wittstock/Dosse mit 18 Stadtteilen– nämlich eingemeindeten ehemals selbstständigen Dörfern – und einem Stadtgebiet von 417 Quadratkilometern noch einleuchten. Nur wird sich in diesen ehemals unabhängigen Gemeinden mit sicherlich historisch gewachsenen Festen gar kein am Sonntag zu öffnender Einzelhandel mehr befinden. Im dichtbesiedelten inneren Verflechtungsraum hingegen werden sich eigentlich an jedem Sonntag in akzeptabler Nähe offene Geschäfte finden lassen.

Sehr gespannt bin ich auch auf die zu erwarteten „besonderen regionalen Ereignisse“. Schon die bisherigen Ausnahmetatbestände der Sonntagsöffnung sollen sich auf besondere Ereignisse beziehen, d.h. eigentlich begründet werden. Mir fallen als Begründungen u.a. ein: Kürbisfest, Bürgermeisterwiegen (hat es in Falkensee noch nie gegeben), Festival der Langohren, Faszination Motorsport, Frühlingsfest und Herbstfest. Man sieht, die Ausnahmebegründungen sind so vielfältig wie die natürlichen Feinde des Sozialismus.

Das verfassungsrechtlich geforderte Regel-Ausnahme-Verhältnis von Sonntagsruhe und Sonntagsöffnung wird inhaltlich systematisch ausgehöhlt.

Ob sich die vielen Alleinerziehenden, die im Einzelhandel arbeiten, über die geplanten Lockerungen freuen werden? Ich zitiere mal aus dem Koa-Antrag vom Mai: „Mit dem Familien- und Kinderpolitischen Programm hat sich das Land zur herausragenden Bedeutung der Familien bekannt mit dem Ziel, Brandenburg zu einer der familien- und kinderfreundlichsten Regionen in Europa zu entwickeln.“ Sind mehr verkaufsoffene Sonntage ein Signal an all diejenigen, die versuchen, Arbeit und das Großwerden der eigenen Kinder unter einen Hut zu kriegen? Nein. Fast zwei Drittel der Brandenburger*innen lehnen es ab, dass der Einzelhandel selbst entscheiden solle, ob und wann an Sonntagen Geschäfte geöffnet haben. Es gibt durchaus eine kritische Grundhaltung zum Shoppen rund um die Uhr.

Wir verkennen nicht, dass rund ein Fünftel des Gesamtumsatzes im Internethandel an Sonntagen erzielt wird und das ein Problem für den stationären Einzelhandel ist. Die Frage ist aber, ob die Menschen in gleichem Maße konsumieren würden, müssten sie sonntags ihre eigenen vier Wände verlassen. Und nebenbei: Die Diskussion um Schutz der Arbeitsruhe am Sonntag müsste auch mal für die vielen Packer*innen geführt werden, die sonntags am Band bei Amazon stehen. In den letzten Jahren sind die Ladenöffnungszeiten sehr weitgehend liberalisiert und einem veränderten Familienbild und einem flexibilisierten Arbeitsmarkt angepasst worden. Das ist okay. Aber Flexibilität funktioniert nicht lange ausschließlich in eine Richtung. Schon jetzt ist der Krankenstand in Brandenburg deutlich höher als im Bundesschnitt. Dazu kommentierte die Staatssekretärin des Arbeitsministeriums: „Gute Arbeit hat aber nicht nur etwas mit anständiger Bezahlung zu tun, sondern auch mit guten Arbeitsbedingungen." Vermeidbare Sonntagsarbeit gehört nicht dazu. Vielleicht kann dies auch als Impuls fürs Brandenburger Bündnis für Gute Arbeit dienen?

Der Überweisung in den Ausschuss für Arbeit und Soziales stimmen wir selbstverständlich zu.