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Wiesenhof-Schlachthof in Königs Wusterhausen, Kapazitätsausweitung ohne Genehmigung

Kleine Anfrage „Wiesenhof-Schlachthof in Königs Wusterhausen, Kapazitätsausweitung ohne Genehmigung“ herunterladen (PDF, 125 KB)

(Nr. 2644 – Benjamin Raschke) Die Märkische Geflügelhof-Spezialitäten GmbH in Königs Wusterhausen/Niederlehme vermarktet ihre Produkte unter dem Markennamen „Wiesenhof“. Sie ist Teil der PHW-Gruppe, des größten deutschen Geflügelproduzenten und –verarbeiters.

Die Märkische Geflügelhof-Spezialitäten GmbH beantragte im August 2016 eine Kapazitätsausweitung ihrer Geflügelschlacht- und Verarbeitungsanlage in Niederlehme von 120.000 Tieren am Tag auf durchschnittlich 160.000, zu Spitzenzeiten auf 240.000 Tiere täglich. Die Kapazitätserhöhung ist nach Bundes-Immissionsschutzgesetz genehmigungspflichtig. Die Inbetriebnahme mit erhöhter Kapazität sollte laut Antrag ursprünglich im 1. Quartal, nach der wegen Fehlern notwendigen Neufassung des Antrags schließlich im 2. Quartal 2017 erfolgen. Beim derzeitigen Stand des Verfahrens ist noch nicht absehbar, ob die Genehmigung erteilt werden kann. Entsprechend ist derzeit auch noch nicht an die Genehmigung eines vorzeitigen Beginns zu denken. Dies teilten die Vertreter des Landesamtes für Umwelt auf dem Erörterungstermin am 30.3.2017 in Königs Wusterhausen mit.

Umso erstaunlicher die Antwort auf eine Mündliche Anfrage des Abgeordneten Benjamin Raschke vom 06.04.2017, in welcher Umweltminister Vogelsänger bestätigt, dass die beantragte Kapazitätsausweitung der Geflügelschlacht- und Verarbeitungsanlage bereits stattgefunden habe. Eine Wiesenhof-Sprecherin rechtfertigte laut DPA-Meldung vom 10.4.2017 die vorzeitige Kapazitätserhöhung mit der Notsituation, die durch den Großbrand im Wiesenhof-Schlachtbetrieb in Lohne/Niedersachsen am 28.3.2016 entstanden sei. „Die Anhebung der Kapazität geschah mit Kenntnis und in Abstimmung mit den zuständigen Behörden, um tierschutzwidrige Zustände zu vermeiden“, so die Sprecherin.

Mittlerweile ist jedoch bekannt geworden, dass die Antragstellerin bereits lange vor dem Brand in Lohne, nämlich Mitte 2015, eine neue Halle für den Schlacht- und Verarbeitungsbetrieb mit einer Nutzfläche von 2.500 m2 angebaut und in Betrieb genommen hat (MAZ Dahme-Kurier, 08.04.2017). Kurz darauf, im September 2015, wurde der Bau eines zweiten Brunnens und eine annähernde Verdoppelung der Grundwasserentnahme auf max. 1,5 Millionen Liter am Tag (zuvor max. 0,8 Mio. l/Tag) mit folgender Begründung beantragt: „Erweiterung des Betriebsstandorts und Erhöhung der Produktion“. Die wasserrechtliche Genehmigung durch den Landkreis Dahme-Spreewald erfolgte im Oktober 2015. Im aktuell zur Genehmigung anstehenden Antrag auf Kapazitätsausweitung werden dagegen weder neue Gebäude (abgesehen von einem Abluftkamin) noch zusätzliche Wasserentnahmemengen beantragt.

Allem Anschein nach wurde die wasserrechtliche Genehmigung im Jahr 2015 in Hinblick auf die Kapazitätserhöhung eingeholt. In diesem Fall unterliegt sie jedoch dem wasserrechtlichen und immissionsschutzrechtlichen Koordinierungsgebot. Sie hätte nicht ohne Öffentlichkeitsbeteiligung erteilt werden dürfen.

Ich frage die Landesregierung:

Bauliche Erweiterungen und wasserrechtliche Genehmigung

1. Die derzeit zulässige Schlachtkapazität geht auf eine Genehmigung aus dem Jahr 2002 zurück. Welche Bauten und baulichen Anlagen wurden zu welchem Zweck und mit welcher Kapazität seitdem errichtet? Wann wurden diese jeweils bei wem beantragt, von wem genehmigt, fertiggestellt und in Betrieb genommen? Angaben bitte unter Nennung der Aktenzeichen und als tabellarische Auflistung.

2. Hatten die zuständigen Kreis- und Landesbehörden jeweils Kenntnis von diesen Bauten und baulichen Anlagen sowie von deren Inbetriebnahme? Wenn ja, seit wann? Auf welchem Wege haben sie davon Kenntnis erlangt?

3. Wie behandelt das Landesamt für Umwelt LfU das Koordinierungsgebot für Genehmigungen, die in der Zuständigkeit des Kreises liegen (Wasser, Bau, ggf. weiteres) im Allgemeinen?

4. Wie geht das LfU im vorliegenden Fall mit den Baumaßnahmen und mit der wasserrechtlichen Genehmigung von 2015 in Hinblick auf das immissionsschutzrechtliche Koordinierungsgebot um?

5. Wie hoch waren die monatlichen Schlacht- und Verarbeitungszahlen (in Stück unter Angabe des durchschnittlichen Schlachtgewichts) jeweils vor und nach Inbetriebnahme der genannten Bauten (bitte monatlich aufschlüsseln)?

6. In welche Bundesländer werden die zum Verzehr bestimmten Tierprodukte seit der Erweiterung ausgeliefert (bitte monatlich aufschlüsseln nach Stück und Gewicht in t)?

7. Wie wurden bei der Abluft - ohne den jetzt neu zu errichtenden "Abluftkamin" - die BImSchG-relevanten Werte eingehalten?

8. Welche gefährlichen und nicht gefährlichen Abfälle fielen vor und nach Inbetriebnahme der genannten Bauten an (Angabe in t pro Monat) und wie wurden diese entsorgt (bitte monatlich aufschlüsseln unter Angabe der AVV-Nr. incl. Kurzbeschreibung)?

Bereits erfolgte Kapazitätsausweitung

9. Seit wann besteht die von Umweltminister Vogelsänger in der Antwort auf die Mündliche Anfrage vom 6.4.2017 eingeräumte Kapazitätserhöhung?

10. Welche Abteilung(en) des Ministeriums und des LfU wusste(n) seit wann von dieser Kapazitätserhöhung?

11. Laut Antwort auf die Mündliche Anfrage wird die vorzeitige Kapazitätserhöhung gegenwärtig einer Prüfung unterzogen. Was wird im Einzelnen von wem überprüft?

12. Wird auch die Bautätigkeit seit 2002 überprüft?

13. In welchem Zeitrahmen erfolgt die Prüfung? Sind hier Fristen einzuhalten?

14. Liegen bereits Ergebnisse aus der Überprüfung vor? Wenn ja welche? Falls nein: Wo sind diese künftig einzusehen?

15. Welche Konsequenzen kann eine solche nicht genehmigte Kapazitätserhöhung grundsätzlich haben? Welche hat es im vorliegenden Fall? Wurden/werden wegen der nicht genehmigten Kapazitätserhöhung, den damit verbundenen Bauaktivitäten und der spezifischen Nutzung neuer Anlagen Bußgelder verhängt? Wird diesbezüglich eine Nutzungs- oder Betriebsuntersagung erteilt?

16. Gab es in Brandenburg vergleichbare Fälle?

17. Wie wollen die Landesregierung und die nachgeordneten Behörden künftig verhindern, dass sich große Vorhabenträger gewünschte Erweiterungen nach deren Errichtung und Inbetriebnahme lediglich "nachgenehmigen" lassen?

18. Laut DPA-Meldung vom 10.04.2017 wurde infolge des Brands in Lohne vom März 2016 mit den zuständigen Behörden eine Kapazitätserhöhung in Niederlehme abgestimmt. Um welche Behörden handelte es sich? Wie wurde der Vorgang dokumentiert? Wo sind die Unterlagen einzusehen?

19. Auf welcher rechtlichen Grundlage haben die Behörden die Kapazitätserweiterung zugelassen?

20. Auf welcher rechtlichen Basis konnte dies ohne Öffentlichkeitsbeteiligung geschehen?

21. Wurde die mit einem Notstand begründete Genehmigung der Kapazitätserhöhung zeitlich befristet? Wenn nicht, warum nicht?

22. Ein Masthuhn lebt vier Wochen. Warum gilt es angesichts dessen ein Jahr nach dem Brand in Lohne immer noch, einen tierschutzwidrigen Notstand abzuwenden?

Die Schlachtanlage in Lohne wird 2018 den Betrieb mit der ursprünglichen Kapazität wieder aufnehmen. Welche Vorgaben zur Rücknahme oder zum Rückbau der Erweiterungen in Niederlehme wurden seitens der Landes- oder Kreisbehörden vereinbart?