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Wie viele Tage steht ein Brandenburger Rind auf der Weide?

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(Nr. 2398 – Benjamin Raschke) Milch ist in unseren Supermärkten zumeist in Verpackungen erhältlich, die grüne Wiesen und blauen Himmel zeigen, unter welchem Kühe grünes Gras fressen. Den Verbraucherinnen und Verbrauchern wird das Bild der glücklichen Kuh suggeriert, deren Milch er oder sie genüsslich trinken kann. Doch nur ein geringer Teil der im Supermarkt erhältlichen Milch stammt von Kühen, welche unter freiem Himmel und auf Weiden leben. Je nach Haltungsart stehen Kühe nur wenige Monate ihres Lebens auf der Weide und statt mit Gras, Heu und Gras-Silage werden sie mit Kraftfutter, z.T. mit genmanipuliertem Sojafutter, für immer höhere Milchleistungen gefüttert. In einer Studie zur Beurteilung des Tierwohls von Milchkühen in der Stall- und Weidehaltung stellten L. Armbrecht et al. fest, dass weidehaltende Betriebe in den Grundsätzen „Gute Haltung“ und „Gute Gesundheit“ bessere Bewertungen nach dem WELFARE QUALITY-Protokoll erhielten als Betriebe, die keinen Weidegang ermöglichen.* Weiter stellen die Autoren fest, dass das Wohl und die Gesundheit eines Tieres in erster Linie davon abhängig sind, dass es seine natürlichen Verhaltensweisen ausleben kann, was bei einer guten Weidehaltung möglich zu sein scheint. Ob die Kuh auf der Weide oder im Stall steht, ist jedoch nicht nur eine Frage der artgerechten Tierhaltung. Auch die Umsetzung des bundesweiten Zieles zum Grünlanderhalt ist ohne Weidehaltung von Kühen (aber auch Schafen und Pferden) nicht möglich. Die Art der Haltung hat zudem Konsequenzen für die Umwelt und für die Qualität der Milch und somit für die Gesundheit der Menschen. Der wissenschaftliche Beirat für Agrarpolitik der Bundesregierung stellte 2015 fest, dass die Wahrscheinlichkeit des Weidegangs bundesweit mit steigender Betriebsgröße abnimmt. Bundesweit erhalten zwischen 41 und 51 Prozent der Kühe in Beständen mit 10 bis 200 Kühen Weidegang. Dagegen wird dies in Beständen mit über 500 Kühen nur noch 7 Prozent der Kühe gewährt. Bereits in Beständen mit 200 bis 499 Kühen reduziert sich der Anteil auf 25 Prozent der Kühe (pdf-Datei). Wie der Statistische Bericht „Wirtschaftsdünger, Stall- und Weidehaltung im Land Brandenburg 2010" feststellt nahm auch in Brandenburg die Dauer der Weidehaltung pro Jahr mit zunehmender Betriebsgröße (pdf-Datei) ab.

Ich frage daher die Landesregierung:

Entwicklung der Weidehaltung in Brandenburg

1. Wie erfasst die Landesregierung die Weidehaltung in Brandenburg, welche Unterscheidungs-kriterien (freier Weidezugang, Laufstall ohne Weidezugang, Anzahl der Weidetage/Jahr geclustert nach Milchkuh und jeweiligen Laktationsabschnitt, etc.) wendet sie an?
2. Wie entwickelten sich die Flächen zur Beweidung durch Rinder zwischen 2006 – 2016 in Brandenburg (bitte mit tabellarischer Auflistung)?
3. Wie hoch ist die Gesamtfläche, auf welcher in Brandenburg potenziell auch extensive Weidehaltung betrieben werden kann? Wie hat sich dieser Flächenanteil zwischen 2006-2016 verändert?
4. Wie hoch ist der Anteil der Weidehaltung bei Rindern und Milchkühen geclustert nach Herdengrößen (unter 50 Tieren, 50-100 Tiere, über 100 Tiere) jährlich von 2006-2016 in Brandenburg?
5. Wie hat sich der Anteil der Milchviehbetriebe mit Herdengrößen unter 50 Tieren, zwischen 50 bis 100 Tieren und über 100 Tieren im Zeitraum 2006-2016 in Brandenburg verändert?
6. Wie viele von den in Frage 5 erfassten Betrieben wirtschaften nach den Kriterien des konventionellen und ökologischen Landbaus?
7. In welchen Regionen Brandenburgs sind im Zeitraum 2006-2016 ein überdurchschnittlicher Rückgang und eine Zunahme der Weidehaltung von Milchkühen zu verzeichnen?
8. Welche Fleischrinderrassen sieht die Landesregierung für eine extensive Ganzjahresbeweidung als geeignet an? Wie hat sich der Anteil der als geeignet angesehenen Fleischrinderrassen von 2006-2016 entwickelt?
9. L. Ambrecht et al. haben festgestellt, dass aufgrund von hohen Pachtpreisen bei vergleichsweise kostengünstigem Kraftfutter, wachsenden Tierbeständen, schwierigen Berechnungen der Weideproduktivität die Weidewirtschaft zurückgeht. Leisen, 2014, führt zudem fehlende Erfahrungen in Praxis und Beratung an. Teilt die Landesregierung diese Einschätzung auch für Brandenburg? Welche weiteren oder anderen Gründe sieht sie?

Dauer der Weidehaltung

10. Wie viele Tage im Jahr sind Rinder (Milchkühe geclustert nach Laktationsabschnitt, Mastkälber, etc.) geclustert nach Herdengrößen durchschnittlich auf der Weide?
11. Wie viele Tage sind Milchkühe während der Laktation durchschnittlich in ökologisch und konventionell wirtschaftenden Betrieben auf der Weide?

Auswirkung der Weidehaltung

12. Wie hoch ist die durchschnittliche Lebensdauer von Rindern geclustert nach ihrer Haltung (freier Weidezugang, Laufstall ohne Weidezugang, kein Weidezugang, etc.) in einer Herdengröße?
13. Sind der Landesregierung Untersuchungen bekannt, bei welchen das Tierwohl von Rindern in der Weide- und der Laufstallhaltung verglichen wurde? Wenn ja, zu welchen Ergebnissen kommen die Studien u.a. bzgl. a) eingesetzten Antibioti-kamengen, b) Klauengesundheit/ Mastitis/ Labmagenverlagerungen/ Ketose/ En-
doparasiten? Welche Schlussfolgerung zieht die Landesregierung daraus hin-sichtlich der Weidehaltung von Rindern in Brandenburg?
14. Wie schätzt die Landesregierung die Bedeutung der Weidehaltung für die Landwirtschaft, den Naturschutz, der Artenvielfalt und Tourismus in Brandenburg?

Förderung der Weidehaltung in Brandenburg

15. Wie viele Mittel standen 2016 zur Extensivierung der Grünlandflächen im Rahmen der Agrarumweltmaßnahmen zur Verfügung und in welcher Höhe wurden diese Mittel von Landwirten in Anspruch genommen (Anzahl der geförderten Landwirte geclustert nach Betriebsgröße, Landkreis und geförderter Hektarfläche)?
16. Mit welchen Maßnahmen und Projekten wird die Landesregierung die Weidehaltung von Rindern und Milchvieh in den kommenden Jahren fördern (bitte kurz mit Maßnahme, Ziel, Laufzeit und Budget auflisten)?
17. Inwieweit fordert die Grünlandflächenförderung im Rahmen der Agrarumweltmaßnahmen die Beweidung (pdf-Datei), z.B. mit einem Mindesttierbesatz im konventionellen und ökologischen Landbau?
18. Welche Förderungsmaßnahmen erhalten konventionell wirtschaftende Milchviehbetriebe, welche ihren Tieren den Weidegang mit mindestens 120 Tagen im Jahr ermöglichen und den Mehraufwand nicht über den Milchpreis absetzen können?
19. Wie schätzt die Landesregierung die Bedeutung der Waldweidehaltung ein und wie wird die Waldweidehaltung von der Landesregierung gefördert?
20. Wie beurteilt die Landesregierung die derzeit bestehenden Fördergelder für konventionelle oder Bio-zertifizierte Betriebe und des KULAP für Grünland und Trockenrasen, um auch auf kleineren oder voneinander entfernten Flächen eine dem Mindest-Tierschutz entsprechende Ganzjahresbeweidung wirtschaftlich zu gestalten?

* L. Armbrecht, et al. (2015) „Tierwohl von Milchkühen bei Stall- und Weidehaltung - Ein Vergleich anhand des Welfare Quality® Protokolls“, Tierhaltung im Spannungsfeld von Tierwohl, Ökonomie und Gesellschaft - Tagungsband zur Tierwohl-Tagung 2015 in Göttingen